Obwohl es meine erste Schwangerschaft war, wusste ich, dass etwas anders ist als man es in Vorbereitungskursen und aus Erfahrungsberichten erfährt. Mein Bauch war in der 24. Schwangerschaftswoche so aufgebläht und groß, dass wir direkt zur Uni-Klinik nach Bonn gefahren sind. Nach gründlicher Untersuchung fand man einen Fehler im Magen-/ Darm-Trakt des Kindes, was auf ein Down-Syndrom hingewiesen hat. Mit der wenig empathisch übermittelten Diagnose wurde mir direkt ein Termin für einen Schwangerschaftsabbruch mitgeteilt. Ich gab klar zu verstehen, dass wir keine Abtreibung wünschen. Für meinen Mann und mich war immer klar, dass wir unser Kind annehmen werden, egal welche Erkrankungen und Erschwernisse es mitbringt.

Um die Diagnose zu sichern wurde eine Fruchtwasseruntersuchung durchgeführt. Wir beobachteten, wie Jann sich im Mutterleib mit dem Rücken gegen die eindringende Nadel wehrte, egal aus welcher Richtung sie kam. Für mich war klar, Jann will leben. Die Narben auf seinem Rücken sind heute noch zu sehen und bezeugen den Lebenswillen unseres Sohnes.

90 Prozent der Eltern von Kindern mit Down-Syndrom lassen abtreiben und ich gebe zu, meine Hoffnung bestand trotz der eindeutigen Tests weiterhin, dass es sich nicht um Trisomie handelt. Wir haben Jann angenommen. Damit meine ich nicht nur wir als Eltern, sondern auch der Verwandtschafts- und Freundeskreis. Jann ist für uns ein vollkommen normales Kind, das uns manchmal in dieser hektischen Welt entschleunigt. Seltsame Erfahrung haben wir mit der Kirche gemacht. Der damals amtierende Pfarrer wollte „ein solches Kind“ in der Öffentlichkeit nicht taufen. Eine Entscheidung, für die sich der Kardinal und der Bischoff später telefonisch entschuldigten.

Das Erlernen von normalen Fähigkeiten wie beispielsweise das Trockenwerden, sich die Schuhe zu binden oder die fehlerfreie Aussprache von Wörtern stellt für ein Kind ohne Trisomie keine großen Herausforderungen dar. Von uns wurden sie als Meilensteinen wahrgenommen und geben bis zum heutigen Tag Anlass zum Feiern. Zu den besonderen Fähigkeiten auch im Vergleich zu Kindern ohne Trisomie gehört, sich Orte zu merken, an denen er vor Jahren schon einmal war.

Selbstverständlich gibt es auch ein paar Dinge die nerven. Jann besitzt beispielsweise eine Weglauftendenz und man muss ihn immer beaufsichtigen. Gerne entblößt er auch seinen Oberkörper in der Öffentlichkeit und findet das sehr witzig. Da bleibt uns nur noch der klare Befehlston, um den Zustand zu beenden.

Niemals hätte ich mir vorstellen können, Jann abzutreiben. Der Gedanke existiert gar nicht in meinem Kopf, wird aber zu Beginn von außen herangetragen. Für mich ist klar, niemals kann ich irgendein Leben beenden. Der liebe Gott spielt bei der Vergabe der Kinder mit Down-Syndrom eine wichtige Rolle. Nicht jede Mutter erhält das Privileg, diese Aufgabe anvertraut zu bekommen. Ich habe mich ihr sehr gerne gestellt und mein Leben wurde bereichert. Wenn ich jemals daran zweifele, schaue ich auf die kleinen Narben auf Janns Rücken. Sollten Sie vor dieser Situation stehen, kann ich Ihnen raten: Nur Mut!

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