Aktuell zum 1. Mai / Fotografieren von Polizisten 6
29.04.2013
Was ist jetzt daran neu??? War das nicht schon immer so?
#2Report
29.04.2013
Das entspricht NICHT mehr der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung...
(Der Einfachheit halber zitierte ich mich mal selbst.)
Immer wieder kommt es mal zum Streit über das Fotografieren bei Polizeieinsätzen. Für Pressefotografen gehört das zum täglichen Brot.
Dazu gibt es nun ein interessantes höchstrichterliches Urteil, vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig.
Darf der Einsatzleiter Journalisten untersagen, die Beamten bei ihrer Arbeit zu fotografieren oder zu filmen? In Schwäbisch Hall wurde das versucht, als ein Sondereinsatzkommando einen mutmaßlichen Schwerverbrecher zum Augenarzt eskortierte. Das an Ort und Stelle ausgesprochene Fotografierverbot für einen Pressefotografen war rechtswidrig, befand heute das Bundesverwaltungsgericht.
Der Düsseldorfer Strafverteidiger Udo Vetter berichtet in seinem " Lawblog" darüber:
"Über den Einzelfall hinaus stellt das Bundesverwaltungsgericht ganz wichtige Punkte klar. Polizisten sind laut der Entscheidung keine Privatpersonen, und an der Information über Polizeieinsätze besteht ein öffentliches Interesse:
Der Einsatz von Polizeibeamten, namentlich ein Einsatz von Kräften des Spezialeinsatzkommandos stellt im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Kunsturhebergesetzes ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, von dem Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden dürfen.
Es bedarf also keiner Erlaubnis, wenn Journalisten Polizisten im Dienst fotografieren wollen. Ebenso wenig können Polizisten den Aufnahmen wirksam widersprechen. Diese Bilder dürfen dann auch veröffentlicht werden."
Und weiter:
"Eine Einschränkung gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Bilder zur 'Enttarnung' von Spezialkräften führen können. Aber auch hier sei ein Fotografierverbot nur das letzte Mittel. Die Polizei muss vielmehr vorrangig auf die Presse einwirken, dass Gesichter 'gefährdeter' Beamter gepixelt werden.
Im entschiedenen Fall gab es, so das Gericht, ausreichend Gelegenheit für die Polizeiführung, ein verantwortungsvolles Verhalten der Presse sicherzustellen.
Die Wertung des Gerichts, dass Polizeieinsätze zeitgeschichtliche Ereignisse sind, wird auch Auswirkungen auf Fotografierverbote gegenüber Menschen haben, die keinen Presseausweis besitzen. Auch wenn diese sich – vielleicht – nicht auf die Pressefreiheit berufen können, so gelten die Freiheiten des Kunsturheberrechtsgesetzes doch für jedermann. Das Urteil wird es deshalb auf jeden Fall allen Zeugen von Polizeieinsätzen leichter machen, sich gegen ein Fotografierverbot zu wehren."
.....................
In einer Pressemitteilung des BVerwG heißt es:
"Fotografierverbot von Polizeibeamten des Spezialeinsatzkommandos rechtswidrig
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein von der Polizei gegenüber Mitarbeitern einer Zeitung ausgesprochenes Verbot rechtswidrig war, Polizeibeamte des Spezialeinsatzkommandos während eines Einsatzes zu fotografieren.
Beamte des Spezialeinsatzkommandos der Polizei waren beauftragt, den der gewerbsmäßigen Geldwäsche beschuldigten mutmaßlichen Sicherheitschef einer russischen Gruppierung organisierter Kriminalität aus der Untersuchungshaft bei einer Augenarztpraxis in der Schwäbisch Haller Fußgängerzone vorzuführen. Der Einsatz wurde von zwei Journalisten, darunter einem Fotoreporter, bemerkt. Nachdem dieser sich anschickte, Bilder von den Dienstfahrzeugen und den eingesetzten Beamten anzufertigen, forderte der Einsatzleiter ihn auf, das Fotografieren zu unterlassen. Der Journalist unterließ es daraufhin, Bilder anzufertigen. Die Polizei rechtfertigte das Verbot unter anderem damit: Die eingesetzten Beamten des Spezialeinsatzkommandos hätten durch die Veröffentlichung der angefertigten Fotografien in der Zeitung der Klägerin enttarnt werden können. Dadurch hätte ihre künftige Einsetzbarkeit im Spezialeinsatzkommando beeinträchtigt und sie selbst hätten persönlich durch Racheakte gefährdet werden können. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die Klage des Zeitungsverlags ab, für den die Journalisten tätig sind. Auf die Berufung des Verlags stellte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim fest, dass das Vorgehen des Einsatzleiters rechtswidrig war. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei unter anderem angenommen: Die Gefahr einer unzulässigen Veröffentlichung der angefertigten Fotografien habe nicht bestanden, weil mangels gegenteiliger konkreter Anhaltspunkte von einer Vermutung rechtstreuen Verhaltens der Presse und damit davon auszugehen sei, dass sie keine Porträtaufnahmen der eingesetzten Beamten und im Übrigen nur Fotografien veröffentlichen werde, auf denen die Beamten insbesondere durch Verpixelung ihrer Gesichter unkenntlich gemacht seien.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des beklagten Landes zurückgewiesen. Die Polizei durfte nicht schon das Anfertigen der Fotografien untersagen. Der Einsatz von Polizeibeamten, namentlich ein Einsatz von Kräften des Spezialeinsatzkommandos stellt im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Kunsturhebergesetzes ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, von dem Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden dürfen. Ein berechtigtes Interesse der eingesetzten Beamten kann dem entgegenstehen, wenn die Bilder ohne den erforderlichen Schutz gegen eine Enttarnung der Beamten veröffentlicht werden. Zur Abwendung dieser Gefahr bedarf es aber regelmäßig keines Verbots der Anfertigung von Fotografien, wenn zwischen der Anfertigung der Fotografien und ihrer Veröffentlichung hinreichend Zeit besteht, den Standpunkt der Polizei auf andere, die Pressefreiheit stärker wahrende Weise durchzusetzen. Eine solche Lage war hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs gegeben."
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. März 2012, Aktenzeichen 6 C 12.11
Ein mehr als erfreuliches Urteil, im Sinne der Pressefreiheit wie auch der Bildberichterstattung und der Fotografen. Sobald das Urteil im Volltext veröffentlicht ist, poste ich einen Link.
(Am Rande angemerkt: kluge SEK-Polizeibeamte tragen seit Jahren schon Skimasken oder ähnliche "Maskierungen", wenn sie in der Öffentlichkeit tätig werden und wissen, daß mit Pressefotografen und Youtube-Handy-Videos zu rechnen ist...)
(Der Einfachheit halber zitierte ich mich mal selbst.)
Immer wieder kommt es mal zum Streit über das Fotografieren bei Polizeieinsätzen. Für Pressefotografen gehört das zum täglichen Brot.
Dazu gibt es nun ein interessantes höchstrichterliches Urteil, vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig.
Darf der Einsatzleiter Journalisten untersagen, die Beamten bei ihrer Arbeit zu fotografieren oder zu filmen? In Schwäbisch Hall wurde das versucht, als ein Sondereinsatzkommando einen mutmaßlichen Schwerverbrecher zum Augenarzt eskortierte. Das an Ort und Stelle ausgesprochene Fotografierverbot für einen Pressefotografen war rechtswidrig, befand heute das Bundesverwaltungsgericht.
Der Düsseldorfer Strafverteidiger Udo Vetter berichtet in seinem " Lawblog" darüber:
"Über den Einzelfall hinaus stellt das Bundesverwaltungsgericht ganz wichtige Punkte klar. Polizisten sind laut der Entscheidung keine Privatpersonen, und an der Information über Polizeieinsätze besteht ein öffentliches Interesse:
Der Einsatz von Polizeibeamten, namentlich ein Einsatz von Kräften des Spezialeinsatzkommandos stellt im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Kunsturhebergesetzes ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, von dem Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden dürfen.
Es bedarf also keiner Erlaubnis, wenn Journalisten Polizisten im Dienst fotografieren wollen. Ebenso wenig können Polizisten den Aufnahmen wirksam widersprechen. Diese Bilder dürfen dann auch veröffentlicht werden."
Und weiter:
"Eine Einschränkung gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Bilder zur 'Enttarnung' von Spezialkräften führen können. Aber auch hier sei ein Fotografierverbot nur das letzte Mittel. Die Polizei muss vielmehr vorrangig auf die Presse einwirken, dass Gesichter 'gefährdeter' Beamter gepixelt werden.
Im entschiedenen Fall gab es, so das Gericht, ausreichend Gelegenheit für die Polizeiführung, ein verantwortungsvolles Verhalten der Presse sicherzustellen.
Die Wertung des Gerichts, dass Polizeieinsätze zeitgeschichtliche Ereignisse sind, wird auch Auswirkungen auf Fotografierverbote gegenüber Menschen haben, die keinen Presseausweis besitzen. Auch wenn diese sich – vielleicht – nicht auf die Pressefreiheit berufen können, so gelten die Freiheiten des Kunsturheberrechtsgesetzes doch für jedermann. Das Urteil wird es deshalb auf jeden Fall allen Zeugen von Polizeieinsätzen leichter machen, sich gegen ein Fotografierverbot zu wehren."
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In einer Pressemitteilung des BVerwG heißt es:
"Fotografierverbot von Polizeibeamten des Spezialeinsatzkommandos rechtswidrig
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein von der Polizei gegenüber Mitarbeitern einer Zeitung ausgesprochenes Verbot rechtswidrig war, Polizeibeamte des Spezialeinsatzkommandos während eines Einsatzes zu fotografieren.
Beamte des Spezialeinsatzkommandos der Polizei waren beauftragt, den der gewerbsmäßigen Geldwäsche beschuldigten mutmaßlichen Sicherheitschef einer russischen Gruppierung organisierter Kriminalität aus der Untersuchungshaft bei einer Augenarztpraxis in der Schwäbisch Haller Fußgängerzone vorzuführen. Der Einsatz wurde von zwei Journalisten, darunter einem Fotoreporter, bemerkt. Nachdem dieser sich anschickte, Bilder von den Dienstfahrzeugen und den eingesetzten Beamten anzufertigen, forderte der Einsatzleiter ihn auf, das Fotografieren zu unterlassen. Der Journalist unterließ es daraufhin, Bilder anzufertigen. Die Polizei rechtfertigte das Verbot unter anderem damit: Die eingesetzten Beamten des Spezialeinsatzkommandos hätten durch die Veröffentlichung der angefertigten Fotografien in der Zeitung der Klägerin enttarnt werden können. Dadurch hätte ihre künftige Einsetzbarkeit im Spezialeinsatzkommando beeinträchtigt und sie selbst hätten persönlich durch Racheakte gefährdet werden können. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die Klage des Zeitungsverlags ab, für den die Journalisten tätig sind. Auf die Berufung des Verlags stellte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim fest, dass das Vorgehen des Einsatzleiters rechtswidrig war. Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei unter anderem angenommen: Die Gefahr einer unzulässigen Veröffentlichung der angefertigten Fotografien habe nicht bestanden, weil mangels gegenteiliger konkreter Anhaltspunkte von einer Vermutung rechtstreuen Verhaltens der Presse und damit davon auszugehen sei, dass sie keine Porträtaufnahmen der eingesetzten Beamten und im Übrigen nur Fotografien veröffentlichen werde, auf denen die Beamten insbesondere durch Verpixelung ihrer Gesichter unkenntlich gemacht seien.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des beklagten Landes zurückgewiesen. Die Polizei durfte nicht schon das Anfertigen der Fotografien untersagen. Der Einsatz von Polizeibeamten, namentlich ein Einsatz von Kräften des Spezialeinsatzkommandos stellt im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Kunsturhebergesetzes ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, von dem Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden dürfen. Ein berechtigtes Interesse der eingesetzten Beamten kann dem entgegenstehen, wenn die Bilder ohne den erforderlichen Schutz gegen eine Enttarnung der Beamten veröffentlicht werden. Zur Abwendung dieser Gefahr bedarf es aber regelmäßig keines Verbots der Anfertigung von Fotografien, wenn zwischen der Anfertigung der Fotografien und ihrer Veröffentlichung hinreichend Zeit besteht, den Standpunkt der Polizei auf andere, die Pressefreiheit stärker wahrende Weise durchzusetzen. Eine solche Lage war hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs gegeben."
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. März 2012, Aktenzeichen 6 C 12.11
Ein mehr als erfreuliches Urteil, im Sinne der Pressefreiheit wie auch der Bildberichterstattung und der Fotografen. Sobald das Urteil im Volltext veröffentlicht ist, poste ich einen Link.
(Am Rande angemerkt: kluge SEK-Polizeibeamte tragen seit Jahren schon Skimasken oder ähnliche "Maskierungen", wenn sie in der Öffentlichkeit tätig werden und wissen, daß mit Pressefotografen und Youtube-Handy-Videos zu rechnen ist...)
#3Report
[gone] jan wischnewski photography | berlin | potsdam
29.04.2013
@Tom: in meinem Eröffnungspost steht nichts anderes - bitte genau lesen! Pressefotografen dürfen bei öffentlichem Interesse fotografieren. Der Artikel bezieht sich auf Fotos ohne journalistischen Hintergrund, bei denen Polizisten einzeln fotografiert werden.
#4Report
29.04.2013
Will man wirklich in so einer Situation sein "Recht" einfordern vor einem ignoranten Polizisten der das Urteil nicht kennt, oder verzichtet man dann nicht lieber auf ne Tracht Prügel ?
#5Report
[gone] jan wischnewski photography | berlin | potsdam
29.04.2013
Will man wirklich in so einer Situation sein "Recht" einfordern vor einem ignoranten Polizisten der das Urteil nicht kennt, oder verzichtet man dann nicht lieber auf ne Tracht Prügel ?
...oder auf eine Beschlagnahme der Kamera.
Grade auf einer 1. Mai-Demo würde bei den 130 kg-Herren der LESE (Landeseinsatz-Hundertschaften) mit Flattop-Haarschnitt lieber kleine Brötchen backen und nicht unbedingt auf eine Kenntnis der aktuellen Gerichtsurteile setzen. :)))
Ich habe solche Jungs für den Brandenburger Polizeikalender fotografiert - und die gehören mit Sicherheit eher zu den Verfechtern von "erst handeln, dann fragen". ;)
#6Report
Topic has been closed
Polizisten sind nicht automatisch Personen des Zeitgeschehens, nur weil sie zu einer Demo zum Einsatz kommen und dürfen daher auch nur einzeln "aus dem Geschehen herausgehoben" werden, wenn z.B. ein Pressefotograf ein Fehlverhalten dokumentiert.
Hier zum Artikel: http://www.rechtambild.de/2013/04/vorsicht-beim-fotografieren-von-polizisten/