Nobuyoshi Araki - revolutionärer Geist? 15

8 months ago
Ich hatte schon Gespräche über mehrere Fotografen angeregt, nun folge ich mal einer Idee aus dem Newton-Thread.
So wie der Film Im Reich der Sinne 1976 einen Schock für die westliche Welt darstellte, ist es ähnlich mit den Bildern von Araki, gestartet etwa zur gleichen Zeit, aber mit mehr anhaltender Präsenz bis heute. Nicht zuletzt der interessierte Taschen-Verlag hat einen Renner daraus gemacht, ohne nur dem Sensationshunger (sicher aber auch) zu folgen.
Hat Araki die westliche ''Model-Fotografie'' beeinflußt oder sind seine Arbeiten zu kulturbezogen (gewesen)?
Hat Arakis Bilderwelt euch beim Bildermachen irgendwie beeinflusst oder tangiert sie nur ein eher kulturelles Interesse allgemein oder fühlt ihr euch abgestossen - angezogen? Wie nehmt ihr seine Sicht auf Erotik wahr?

(Kleiner Denkeinstieg: https://www.deutscheboersephotographyfoundation.org/de/sammeln/kuenstler/nobuyoshi-araki.php)
Ich glaube in der Tat, dass Arakis Arbeiten auf den westlichen Betrachter überwiegend zu fremdartig wirken, um weiten Einfluss nehmen zu können, da Arakis Inhalte eng kulturverbunden sind und hierzulande mangels Hintergrundwissen sicherlich zu zahllosen Irritationen führen. Die teils expliziten sexuellen Inhalte machen es neben der fremdartigen Ästhetik nicht unbedingt einfacher, akzeptiert zu werden.

Ich mag die sehr direkte, dadurch etwas rauhe und ungeschönte Art seiner Inszenierungen. Kein weichspülender Hochglanz-Vorhang, der den Betrachter schützend einlullt.

Ich bin durchaus japanophil und habe somit Zugang zu gewissen Elementen. Ich habe aber auch volles Verständnis dafür, wenn anderen Betrachtern dieser Zugang fehlt. Japan ist halt verdammt weit weg.



Wer sich von/über Araki wenigstens ein repräsentatives Werk ins Regal stellen möchte, dem empfehle ich "Self. Life. Death." aus dem Phaidon Verlag.
8 months ago
Araki hat die westliche Bondage-Fotografie/Kunst beeinflusst. Und damit in dem Ausmaß, wie die Bondage-Fotografie/Kunst die westliche Fetisch-Kunst beeinflusst hat, auch diese beeinflusst. Diese wiederum hat die westliche erotische Kunst überhaupt beeinflusst, und insoweit hat Araki die westliche erotische Kunst beeinflusst.

In welchem Ausmaß... das wird man differenziert sehen müssen. In der Zeit, in der eine Araki-Ausstellung zu einem großen Skandal werden konnte (also z.B. Anfang der 90er Jahre), sicherlich mehr als später.
8 months ago
Ich glaube in der Tat, dass Arakis Arbeiten auf den westlichen Betrachter überwiegend zu fremdartig wirken, um weiten Einfluss nehmen zu können, da Arakis Inhalte eng kulturverbunden sind und hierzulande mangels Hintergrundwissen sicherlich zu zahllosen Irritationen führen. Die teils expliziten sexuellen Inhalte machen es neben der fremdartigen Ästhetik nicht unbedingt einfacher, akzeptiert zu werden.

"Akzeptiert werden" und "beeinflussen" sind nicht dasselbe.
Auch Kunst, die nicht akzeptiert wird, beeinflusst. Gerade die.
8 months ago
Das Araki-Buch aus dem Taschen-Verlag (das dreisprachige von 2004, dick und eher kleinformatig) habe ich zwar, aber mehr aus Neugier, als daß es mich inspiriert hätte. Newton als Inspiration .. vielleicht mehr, aber eigentlich auch nicht. Viel mehr würde ich dazu Dahmane Benanteur nennen, aber auch Bettina Rheims - was zwar für die Polarität Newton-Araki im Falle eines "entweder oder" nichts bringt, aber man würde wohl auch nicht Henri Cartier-Bresson mit Terry Richardson vergleichen ?
Mich interessiert eigentlich auch mehr die Person vor der Kamera als Bezugspunkt, so z.B. der Bildband über Monica Bellucci - die eine Person, wie sie sich vor der Kamera zeigt und wie sie unterschiedlich "gesehen" wird. Was dann für die Öffentlichkeit festgehalten und publiziert wird, ist ja dann erst der Folgeschritt. Oder Antje Mönning - bekannt aus Fernsehserien, aber auch den von Roland Reber gedrehten Filmen - zusammen mit Marina Anna Eich, die wiederum im Bildband von Thomas Karsten in einer großen Vielfalt von Szenen fotografiert wurde : Das Buch von Antje Mönning finde ich hochinteressant - sie hat gezeigt, was man sonst eher verbirgt, und sie schreibt, worüber man sonst nicht spricht ... kann es eine größere Kompetenz geben ? Jetzt bin ich vielleicht vom Thema abgekommen, aber das wäre so mein erweiterter Blick.
8 months ago
Aus dem Newton-Thema passend noch das Zitat von
@ Tom Rohwer :

Wer sich intensiver mit Newtons Werk auseinandersetzt - und nicht nur 'Stellen guckt' (so wie mancher in Pornos 'Stellen liest') - der kann leicht erkennen, daß Newton da eine große Bandbreite von erotischen Szenarien inszeniert hat, dominant, devot, fetischistisch, grell, dezent... und man darf auch davon ausgehen, daß die Models in solchen Newton-Bildern gemodelt haben, und nicht ihre persönliche Sexualität präsentiert haben...

Eine große Bandbreite inszenieren .. das tun natürlich auch andere Bildkünstler/innen. Und betreffs der Models könnte man auch Helmut Newton mit Peter Lindbergh vergleichen in dem Punkt, daß 'Charakter und Persönlichkeit im Bild erfaßt' seien .. und wie ist nun klar, daß beim Spielen einer Rolle eben nicht die persönliche Sexualität präsentiert würde ? Denn bei derselben Rolle würde aber doch die authentische Persönlichkeit im Bild oder Film erfaßt .. ein Mysterium, bei dem ich eher dem glaube und vertraue, was Fr. Mönning dazu schreibt (oder was ggfs. Kate Moss, Linda Evangelista oder Naomi Campbell selber dazu meinen).
8 months ago
Der wichtigste Unterschied zwischen Newton und Lindbergh ist m.E., daß Newton einer großen Öffentlichkeit, weit über "Fotografie-Interessierte" hinaus, als Künstler im Bereich der erotischen (Foto-)Kunst bekannt ist - während Peter Lindberghs allgemeine Bekanntheit viel geringer ist, sich weitgehend auf "Fotografie-Interessierte" beschränkt, und generell auch viel mehr mit (hochklassiger) Werbefotografie verbunden wird als Newton.

"Ach - Helmut Newton hat auch Werbung fotografiert???"

"Ach - Peter Lindbergh hat auch künstlerische Bildbände veröffentlicht???"

Oder, etwas überspitzt:

"Kennst Du das Newton'sche Gesetz?" (Gemeint ist Isaac Newton...) - "Äh... von dem Fotografen, der diese ganzen Fetisch-Frauen fotografiert hat?"

"Sagt Dir der Name Peter Lindbergh etwas?" - "Ja... äh... das ist doch dieser Pilot, dessen Baby entführt worden ist..."
8 months ago
Zwei verschiedene Themen, zwei Beitragsstränge. Haben deutliche Überschriften. Seine Kommentare da sinnvoll zuzuordnen, ist das schon eine Überforderung?

(Muss man demnächst noch Kommentre zu irgendwas irgendwo in den Vorschreiberthreads suchen?)
8 months ago
@ Marcello Rubini
Als thematischen Bezug schriebst Du "revolutionär" und hast es mit ? hinterfragt .. Revolutionär i.S.v. ungeschönt direkt auch oder gerade in der erotischen Fotografie - das paßt auch auf viele andere. Jedoch begrenzt auf Araki habe ich nichts weiter beizutragen ..
8 months ago
Ich finde es toll dass hier auch Fotografen diskutiert werden! Allerdings scheint mir Araki nicht das beste Gegenstück zu Helmut Newton zu sein. Ich hätte eher Bettina Rheims, z.b. ihre Serie "Gender Studies" gewählt. Die finde ich sowohl thematisch als auch von der Machart her moderner: https://m.youtube.com/watch?v=8l0l-VZL3_8
8 months ago
AndiB

Wieso muss denn eigentlich hier mal wieder alles "modern" sein?

Eifert man diesem (heutzutage geradezu krankhaften) Phänomen nach, begibt man sich zwangsläufig in ein Hamsterrad. Wo ist denn der Beginn; bis wann soll diese "Moderne" zeitlich denn jeweils gehen?

Die Geschichte zeigt eigentlich etwas ganz anderes. Jede Epoche hat darin etwas besonderes, außergewöhnliches, oftmals ja faszinierendes und damit wahrscheinlich auch einmaliges.

Geradezu prädestiniert dafür ist die Musik. Sei es die im Mittelalter, der Renaissance, dem Barock, der Klassik, Romantik, oder den vielen Stilen der Neuzeit, vor allem geprägt im letzten Jahrhundert.

Ist denn nicht gerade der sich daraus ergebende Unterschied, die jeweiligen Liebhaber dafür, das besondere?

Um auch nochmals auf bestimmte Namen von Künstlern im Bereich der Fotografie zu kommen: sehr schwierig, für mich sogar unmöglich und geradezu überheblich, sich anzueignen Personen namentlich nach deren Arbeiten bewerten zu wollen.

Die Geschmäcker sind, glücklicherweise, sehr verschieden. Und das ist auch gut so.

Ach ja, ganz am Rande: diese Vielfalt hat nicht nur in der subjektiven Betrachtungsweise seine Vorteile. Auch was ihre Vermarktung anbelangt.
8 months ago
AndiB
Ich finde es toll dass hier auch Fotografen diskutiert werden!
Ja, finde/fände ich auch. Aber den meisten reicht wohl like/dislike. Araki wird im Westen sehr kontrovers gesehen aber die Kontroverse soll vermutlich hier eben nicht überdacht werden. Oder der schöne Beitrag #2 von Patrick Michael Weber ist für alle klärend genug. Mein Gedanke war ein Flop.
Ob das zu Bettina Rheims spannender würde, bezweifle ich deswegen mal vorsichtig.

Eigentlich schade, kehren wir also zu den Standard-Gesprächen zurück, warten aufs nächste Rambozambo oder schweigen uns aus ...
8 months ago
Marcello Rubini

Marcello, es geht doch nicht darum irgend "etwas anderes" abwürgen zu wollen.

Ich störe mich einfach daran, gewisse Vorurteile zu bedienen und ständig zu verstärken.

Selbstverständlich leben wir von der Diskussionskultur. Und wie du richtigerweise deine Ausführungen in #12 enden lässt viel zu oft im nächsten Rambazamba.

Aber liegt dieses Problem nicht selten genau darin, dass man andere Meinungen erst gar nicht aufkommen lässt und wenn, dann mit Kritik übersät, die anschließend auch noch viel zu oft ins Persönliche abgleitet?
8 months ago
Ich habe mir mal etwas Zeit genommen, einige Bilder von Araki anzusehen - nicht nur die verlinkten. Ich sehe das Besondere nicht. Aber ich glaube erkennen zu können, dass diese Bilder in ihre Zeit - nämlich in das letzte Jahrtausend gehören. Ich bin auch sicher, dass die Bilder - wenn sie in die MK hochgeladen würden (und man den Urheber nicht kennt) eine Pornografie- und Qualitätsdebatte auslösen würden.

Was mir in Anbetracht der Tattoodiskussion beim Newton-Thread aufgefallen ist: Es gab schon in den 80er Jahren großflächige Tattoos - zumindest bei Männern. Araki hats fotografiert.
8 months ago
@ eckisfotos

Es gab schon in den 80er Jahren großflächige Tattoos - zumindest bei Männern. Araki hats fotografiert.

Unter manchen japanischen Bevölkerungsgruppen haben Tätowierungen eine lange Tradition, so wie es hier bei Matrosen üblich war oder auch jetzt ist. So wie Du in HH auch vor 30 Jahren schon tätowierte Seeleute sehen konntest, so hat Araki eben auch vor 30 und 40 Jahren tätowierte Männer in seiner Heimat fotografiert :

https://aestheticart.de/die-historie-der-yakuza-tattoos/

https://gogonihon.com/de/blog/tattoos-in-japan-eine-lange-tradition/

Was aber wenig bis keine Tradition hat, sind Tätowierungen bei mitteleuropäischen Frauen - und das wurde eben binnen der letzten 30 Jahre ganz anders (dito für Piercings).

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