Ist Helmut Newton noch zeitgemäß? 222

6 months ago
Patrick Michael Weber "Hier hat wohl niemand auch nur eine Sekunde geglaubt, dass es anders sein könnte. ;-)" stimmt, ich habe mir dazu überhaupt keinen gedanken gemacht, von glauben mal gar nicht zu reden
#161Report
Norbert Hess schrieb

Darf ich dich in diesem Zusammenhang vielleicht an die Motorrad- und Rockkultur der 50-iger und 60-ger Jahre in den USA erinnern?
Frage: wo lebte Newton seinerzeit doch gleich?
Weitere Frage: Warum nahm er diesen Kult dann nicht schon damals in sein Betätigungsfeld mit auf?


Helmut Newton interessierte sich letztendlich nur für ein bestimmtes Frauenbild - dominant, groß, stark und am besten auf High Heels.
Ich denke, die von dir angesprochene Motorrad- und Rockkultur der 50-iger und 60-ger Jahre war geprägt von Männern, die ihn nicht interessierten.
Es gibt aber das Foto von Christy Turlington welches mit Ledermütze und Zigarette etwas von diesen Elementen beinhaltet.
Andererseits hat Helmut Newton gerne Lack und Leder auch mit Bondage verbunden, wie zum Beispiel in seiner Serie TIED UP TORSO.
#162Report
Chris W. Braunschweiger

"Andererseits hat Helmut Newton gerne Lack und Leder auch mit Bondage verbunden, wie zum Beispiel in seiner Serie TIED UP TORSO."

Und das Bondage schlägt dann die Brücke zu Nobuyoshi Araki, der vielfach Bondage fotografierte, dessen Modelle und Inszenierungen sich aber deutlich von denen bei Helmut Newton unterscheiden und der auch keinerlei Berührungsängste mit Tätowierungen hatte.
#163Report
6 months ago
Helmut Newton interessierte sich letztendlich nur für ein bestimmtes Frauenbild - dominant, groß, stark und am besten auf High Heels.

Dafür hat er aber ziemlich viele Fotos von Frauen in devoten Posen gemacht... *LOL*

Ich denke: Helmut Newton interessierte sich für bestimmte Erscheinungsformen erotischer Wirkung, insbesondere von Frauen, aber auch von Männern.

Trader with slave

Frau mit Sattel

Um nur zweibesonders bekannte Beispiele von vielen Hundert zu zeigen. Ein ebenso eindeutiges Foto von zwei Frauen in knappen Dessous, halterlosen Strümpfen und High-heels, die in "Hab acht!"-Stellung vor einem Schreibtisch angetreten sind, hinter dem ein Mann im Anzug steht, habe ich auf die schnelle nicht im WWW finden können. Es ist ein S/M-Foto mit Frauen in devoter Pose par excellence...
#164Report
6 months ago
Tom Rohwer#164: Dir als Insider dürfte doch geläufig sein, dass devot durchaus auch von starken Frauen gespielt wird und das nicht gerade selten. (Und gerade bei Newton.) Darum halte ich das für eine überflüssige und zu oberflächliche Einlassung.

Patrick Michael Weber Die Brücke zu Araki ist doch interessant. Ich wäre dir dankbar, wenn du eine Diskussion zu diesem Fotografen eröffnen würdest, das könnte sicher spannend werden.
#165Report
6 months ago

"Tätowierte Models sind weniger flexibel einsetzbar."

Rein rechnerisch leidet die generelle Flexibilität sowieso unter Berücksichtigung aller möglichen Kriterien. Es passt sowieso nicht jedes Model zu jedem Auftrag bzw. jeder Idee. Von daher wirkt dieser Ausspruch auf mich eher wie eine Binsenweisheit.
Einfach mal überlegen, durch wieviele Attribute du "tätowiert" in diesem Kontext ersetzen kannst, ohne dass die Aussage prinzipiel falsch wird. Da wirst du auf eine gehörige Menge kommen und dir dann vermutlich denken, dass sie Aussage eigentlich doch nicht so wirklich supadupaklug ist und streng genommen wenig zitierwürdig ist. ;-)


Das ist richtig. Allerdings hat ein Tattoo zusätzliche Einschränkungen zur Folge, welche das Model nicht hätte, wenn es sich nicht tätowieren lassen würde. Bei TFP-Shootings sind Tattoos unproblematisch, da man mit den Bildern kein Geld verdienen muss. Aber für ein Model, das auch für bezahlte Shootings gebucht werden möchte, ist es eine ausgesprochen dumme Idee, sich tätowieren zu lassen, weil es damit seine Einkunftsmöglichkeiten einschränkt.
#166Report
Manfred #

"Aber für ein Model, das auch für bezahlte Shootings gebucht werden möchte, ist es eine ausgesprochen dumme Idee, sich tätowieren zu lassen, weil es damit seine Einkunftsmöglichkeiten einschränkt."

Nur weil ein tätowiertes Model bei DIR - und entsprechenden Gleichgesinnten - keine Einnahmen erzielen kann, gilt das vermutlich nicht für alle Fotografen.

Vielleicht ist damit kein Blumentopf zu gewinnen, sofern es um die Top-Riege geht, aber in dieser Liga spielt eh kaum ein Model, womit wir wieder bei "rein rechnerisch" wären.



Wäre es eigentlich auch eine dumme Entscheidung, überhaupt Fotograf zu werden? Ich frage, weil man mit anderen Berufen bedeutend mehr Geld verdienen kann. ;-)
#167Report
6 months ago
Ergänzende Anmerkung: Ich habe den deutlichen Eindruck, dass mittlerweile über die Hälfte der Models aus der Top-Liga mindestens ein Tatoo hat, und das bezieht sich nicht auf den unsichtbaren Bereich. Es ist durchaus Teil der Gegenwartsmode, ist ''eingepreist'' und spielt keine nennenswerte Rolle für Blumentopfgewinne.
#168Report
6 months ago
Wenn Strümpfe, Straps und Negligee weder zur Gegenwartsmode noch zur Gegenwartserotik gehören - ja, dann sind auch tätowierte Hüften und Oberschenkel kein Problem ..
Wie Norbert schon schrieb, hat er aber einen Interessentenkreis für seine Bilder, der auch Jüngere einschließt. Vielleicht soll ja die Fotografie weiterhin ein Ideal zeigen, das nur einen (kleinen) Teil der Durchschnittswirklichkeit wiedergibt ? Springen wir ein halbes Jahrhundert zurück, so waren da einerseits die Kommune K1 und andererseits das, was es bei Beate Uhse gab : Nackte Frauen da wie dort, aber doch auch in unterschiedlichem Bildstil dargestellt !
So gibt es auch heute eine Gleichzeitigkeit - aber ist Bodymod wirklich so "revolutionär neu" wie damals die Kommune ? Und hatte die wiederum nicht ihre Vorläufer vor nun 100 Jahren in den Künstlerkolonien, Wandervogel und Ausdruckstanz ? Nackte Balance im Rhönrad, fotografiert 1930 ..
#169Report
6 months ago
Zitat Manfred #:
"Bei TFP-Shootings sind Tattoos unproblematisch, da man mit den Bildern kein Geld verdienen muss. Aber für ein Model, das auch für bezahlte Shootings gebucht werden möchte, ist es eine ausgesprochen dumme Idee, sich tätowieren zu lassen, weil es damit seine Einkunftsmöglichkeiten einschränkt."

DEN Unterschied zwischen TFP und Pay finde ich sehr interessant. Allein mir fehlt der Glaube.
#170Report
6 months ago
eckisfotos

"DEN Unterschied zwischen TFP und Pay find ich sehr interessant. Allein mir fehlt der Glaube".

Tipp von mir: wende dich einfach mal an professionelle Models. Außerhalb der MK und wohlgemerkt den hier weit überwiegend nachgefragten Betätigungsfeldern. Die können dir insoweit bestimmt helfen.
#171Report
6 months ago
Norbert Hess
Offensichtlich waren meine Formulierungen nicht deutlich genug. Seufz!

Also ich war ein wenig irritiert, dass Tattoos eine andere Bedeutung haben sollen - abhängig davon, ob TFP oder Pay fotografiert wird. Der einzig mögliche Zusammenhang könnte nur darin bestehen, dass ein Fotograf lieber ein "kostengünstiges" (dafür aber tätowiertes) TFP-Modell als ein teures (aber "unverziertes") Pay-Modell vor der Kamera hat. Ob das etwas an der Akzeptanz von Betrachtern der Fotos ändert ist dann eine ganz andere Frage. Und überhaupt kenne ich die Gesetzmäßigkeit nicht, dass Fotos aus Pay-Shootings verkauft werden und TFP-Bilder nicht.

Was ich auch nicht verstehe: Tätowierungen sind keine Erfindung dieses Jahrtausends. Es gibt sie schon länger als Fotos von Helmut Newton. Die Frage, ob er entsprechende Fotos gemacht "hätte", verstehe ich daher nicht. Er HAT oder er hat NICHT!

Und wo ich schon einmal dabei bin: Es wird weitgehend ignoriert, dass Tattoos ganz unterschiedliche Ausmaße haben. Es gibt dezente und weniger dezente. Auch das wird eine Rolle spielen.
#172Report
Nochmal zu Newton und Tattoos: Newton ist ein bunter Hund, der vermutlich eine Million Interviews gegeben hat und über den eine Million Berichte existieren. Wenn das Thema Tattoos in seinem Kontext interessant bzw. relevant gewesen wäre, hätte man dort sicherlich etwas darüber lesen können.

Wenn also diesbezüglich nichts darüber zu lesen ist, was dann demzufolge bekannt wäre, und es zudem auch keine derartigen Fotos gibt, so kann man davon ausgehen, dass dass Thema für Newton einfach nicht von Interesse gewesen. Persönliche Abneigung, optischer Störfaktor oder vielleicht auch fehlende künstlerische Relevanz. Was auch immer!
#173Report
6 months ago
#172:
Was ich auch nicht verstehe: Tätowierungen sind keine Erfindung dieses Jahrtausends. Es gibt sie schon länger als Fotos von Helmut Newton. Die Frage, ob er entsprechende Fotos gemacht hätte, verstehe ich daher nicht.
Klar, wer die Funktion von Tattoos und Piercings in der Gegenwart mitnichten versteht, stellt sich eine solche Frage aus der Ferne. Der Unterschied (die Frage betreffend) ist doch simpel: Tattoos sind en vogue, anders als zu Newtons Zeiten, wo sie meist schlecht und außerdem mit vornehmlich negativem Image behaftet waren. Das hat sich umgekehrt und macht schon deutlich was aus. Dieser Unterschied rechtfertigt die Spekulationen im Themenzusammenhang durchaus, auch weil es bei den Phänomenen explizit mehr um Körperbezug geht als früher. Und Selfempowerment.
Auch wenn ich selbst solche Überlegungen nicht so spannend finde wie die zur Frage des Frauenbildes der Newtonschen Bilderwelt, die früher hier diskutiert wurde. Und die zu Lack-Leder-Bondage-SM (damals eher avantgardistisch, heute eher selbstverständliches Bildinteresse).
#174Report
6 months ago
@Marcello Rubini
Tom Rohwer#164: Dir als Insider dürfte doch geläufig sein, dass devot durchaus auch von starken Frauen gespielt wird und das nicht gerade selten. (Und gerade bei Newton.) Darum halte ich das für eine überflüssige und zu oberflächliche Einlassung.

S/M wird von Sadomasochisten genausowenig "gespielt", wie Schwule oder Lesben Homosexualität "spielen".

Aber darum geht es auch gar nicht.
Es geht um die unzutreffende Annahme von Chris Braunschweiger, Newton habe sich nur für ein Frauenbild interessiert: "dominant, groß, stark und am besten auf High Heels."

Das ist, mit Verlaub, Unfug. Wer sich intensiver mit Newtons Werk auseinandersetzt - und nicht nur "Stellen guckt" (so wie mancher in Pornos "Stellen liest") - der kann leicht erkennen, daß Newton da eine große Bandbreite von erotischen Szenarien inszeniert hat, dominant, devot, fetischistisch, grell, dezent... und man darf auch davon ausgehen, daß die Models in solchen Newton-Bildern gemodelt haben, und nicht ihre persönliche Sexualität präsentiert haben...
#175Report
Ich habe dieses Interview gefunden, daraus mal folgende Übersetzung:

Foto: Sie lieben es, die Menschen zu schockieren, und es gibt einen Hauch von Vulgarität in Ihren Bildern.

HN: Ein Hauch? Sie sind bescheiden. Meine Fotos sind von Vulgarität geprägt. Kreativität entsteht durch schlechten Geschmack und Vulgarität. Als ich 1957 zum ersten Mal in Europa für die britische Vogue arbeitete, gab mir der Chefredakteur eine extrem lange Liste mit Dingen, die ich vermeiden sollte. Es waren keine Fotos mehr möglich. Bei einer anderen Zeitschrift, mit der ich heute noch zusammenarbeite, gibt es zwei Redakteure, die den gleichen Geisteszustand haben. Mit unglaublichem Einfallsreichtum suchen sie ständig nach Accessoires wie Schals, schicken Handtaschen, flachen Schuhen und fließenden Kleidern, die den Körper kaschieren und mich vor Wut betrunken machen. Sie wählen systematisch all die Dinge aus, die ein normaler Mann als antisexuell betrachten würde. Würde ich mit einem so gekleideten Mädchen Liebe machen? Das ist die erste Frage, die ich mir stelle, wenn ich Modefotos mache. Diese beiden Redakteure verstehen das nicht. Ihre Mütter waren auch so, und sie führen die Tradition fort. Guter Geschmack ist Anti-Mode, Anti-Foto, Anti-Mädchen, Anti-Erotik! Vulgarität ist Leben, Amüsement, Lust, extreme Reaktionen!
https://loeildelaphotographie.com/en/helmut-newton-the-1975-interview/
#176Report
6 months ago
Wenn also diesbezüglich nichts darüber zu lesen ist, was dann demzufolge bekannt wäre, und es zudem auch keine derartigen Fotos gibt, so kann man davon ausgehen, dass dass Thema für Newton einfach nicht von Interesse gewesen. Persönliche Abneigung, optischer Störfaktor oder vielleicht auch fehlende künstlerische Relevanz. Was auch immer!

Wenn in Newtons Ära, Promis und hochdotierte Modelle aufgrund des Zeitgeistes nahezu ausnahmslos keine Tattsos hatten (die Motivation dafür wurde hier ja schon ausgiebig besprochen), wieso sollte das auch ein Thema für ihn werden? Tante Elfriede, mit ihrem Arschgeweih kam für eine Aufnahme gar nicht in Frage.
#177Report
MAINpics

Wenn er gewollt hätte, hätte er auch Tante Elfriede fotografiert. Konjunktivistisch betrachtet wären sicherlich Gründe findbar gewesen.

Wollte er aber anscheinend nicht. Und nichts anderes habe ich ja auch geschrieben. ;-)
#178Report
6 months ago

Also ich war ein wenig irritiert, dass Tattoos eine andere Bedeutung haben sollen - abhängig davon, ob TFP oder Pay fotografiert wird. Der einzig mögliche Zusammenhang könnte nur darin bestehen, dass ein Fotograf lieber ein "kostengünstiges" (dafür aber tätowiertes) TFP-Modell als ein teures (aber "unverziertes") Pay-Modell vor der Kamera hat. Ob das etwas an der Akzeptanz von Betrachtern der Fotos ändert ist dann eine ganz andere Frage. Und überhaupt kenne ich die Gesetzmäßigkeit nicht, dass Fotos aus Pay-Shootings verkauft werden und TFP-Bilder nicht.


Einfach nochmal genau lesen, was ich geschrieben habe:
Bei TFP-Shootings sind Tattoos unproblematisch, da man mit den Bildern kein Geld verdienen muss.


Was ich auch nicht verstehe: Tätowierungen sind keine Erfindung dieses Jahrtausends. Es gibt sie schon länger als Fotos von Helmut Newton. Die Frage, ob er entsprechende Fotos gemacht "hätte", verstehe ich daher nicht. Er HAT oder er hat NICHT!


Da hast du Recht. Tätowierte Menschen gabe es auch zu Newtons Zeiten schon. Allerdings hatte er offensichtlich kein Interesse, diese zu fotografieren. Ich habe noch kein Foto von Newton mit einer tätowierten Person gesehen.


Und wo ich schon einmal dabei bin: Es wird weitgehend ignoriert, dass Tattoos ganz unterschiedliche Ausmaße haben. Es gibt dezente und weniger dezente. Auch das wird eine Rolle spielen.


Da hast du auch Recht. Wenn ein Model nur ein ganz kleines Tattoo am Arm hat, dann wird das auf den meisten Fotos gar nicht zu sehen sein. Und wenn es doch mal auf einem Foto zu sehen ist, kann man es mit sehr geringem Aufwand mit Photoshop entfernen. Ein Tattoo, das quer über den Bauch geht, ist schon deutlich störender. Anstatt das aufwendig zu retuschieren, ist es sinnvoller ein anderes Model zu nehmen, das keine Tattoos hat.
#179Report
6 months ago
Zitat Manfred #:
"Einfach nochmal genau lesen, was ich geschrieben habe:
Bei TFP-Shootings sind Tattoos unproblematisch, da man mit den Bildern kein Geld verdienen muss."

Ja, das habe ich genau gelesen. Meine Frage:
Wieso MUSS man mit Pay-Fotos Geld verdienen?
... bleibt unbeantwortet.

Und noch einmal anders ausgedrückt: Wenn mir und den Betrachtern meiner Bilder Tattoos nicht gefallen, warum sollte ich dann solche machen?
#180Report

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