Kranke Bilder? 74

Dieses Thema beschäftigt mich schon etwas länger. Um genauer zu sein, seit einer kurzen Fernsehsendung vor einiger Zeit auf Arte (glaube ich). Es ging um "Liebeswerben" (im weitesten Sinne) im Verlaufe der Zeit. Also praktisch von abgesprochenen Ehen damals bis Tinder & Co. heute.

Im Verlauf mit diversen Experten fiel der, für mich interessante, Satz, der auch dieses Thema jetzt auslöste (sinngemäß): Es ist noch gar nicht so lange her, dass viele sexuelle Spielarten, die heute als völlig offen und gesellschaftlich anerkannt sind, wie z.B. Fetisch, BDSM und Sado- Masospiele, damals durch die Psychologie als echte Krankheit diagnostiziert wurden (noch in den 70er und 80er Jahren).

Im weiteren Verlauf wurde dann natürlich auch das Internet herangezogen, welches natürlich den Zugang zu diesen Bildern und so auch das Wissen um diese Spielarten erweitert hat. Ich will nicht sagen, dass wir Fotografen und Modelle die Menscheit befreit und aufgeklärt haben, aber unsere Bilder haben sicher auch eine Wirkung auf die Gesellschaft. Hier gerade auch die Fetishfotografie.

Ich selbst sehe (auch hier in der MK) mitunter extrem gut gemachte und optisch außerordentlich kunstvolle Abbildungen von BDSM.

Welchen Anteil haben wir Bildschaffenden also am "öffnen" der Gesellschaft und können, dürfen und sollen wir Dinge an's Tageslicht ziehen, die andere Mitmenschen eben dieser Gesellschaft eher verdammen. Gerade in der MK haben wir ja auch schon Erfahrungen in Threads damit gehabt.

P.S.: Sorry für den reißerischen Titel, aber ich konnte nicht anders ob der Threads hier in letzter Zeit ;)
5 years ago
Dass jegliche Unnormalität im aktuellen öffentlichen Bewusstsein
mit allen Nuancen teilweise mehr toleriert wird als Normalität
ist sicher kein Verdienst von Fotografen und ganz bestimmt nicht
von MK-Fotografen, die sich selbst ja selbstbewusst oft auf die
Position althergebrachter Werte stellen.
Zur gesellschaftlichen Wirkung ... denke ich mal an aktuelle Kinoplakate : Ganz wenig Werbung für "die Berufung", etwas mehr für "Trautmann" ... und immense Plakatreihen fürs Remake von "Friedhof der Kuscheltiere". Bekäme ich einen Kinogutschein, um einen dieser 3 Filme zu sehen, ich würde Trautmann oder die Berufung nehmen, den Horrorfilm brauche ich gar nicht.
Bezogen auf die MK werden hier neben dem bereits breitgewalzten Thema "Porno" ebenfalls Themen bildlich verarbeitet, die weltanschaulich, religiös oder politisch nicht jedem behagen. Fetisch und S/M sind da auch nur ein Teilbereich, und ob diese nun kenntniserweiternd sind ? Anhand der Bilder allein hätte ich da doch noch Zweifel; erst weitere Informationen und Lebenserfahrung bewirken da eine differenzierte Sichtweise. Die Diskussionen der letzten 3 Wochen lassen mich nun aber zweifeln, ob hier wirklich mehr Toleranz und Respekt existieren als anderswo.
5 years ago
Ich glaube auch, dass die Medien (+ die Kunst), und dazu gehört nicht wenig die Fotografie und, etwas später bestätigend, der Film, einen wesentlichen Beitrag zur thematischen Öffnung und Verschiebung der Akzeptanzgrenzen geleistet haben.
Aber, we SEE ja auch andeutet, ein Blick auf die hiesigen Diskussionen legt bei mir auch Relativierungen nahe. Und das nicht, weil Fotografen durch ihr ambitioniertes Tun oft auf der eher bewahrenden Seite stehen.
5 years ago
Soweit mir bekannt, wurden die meisten sexuellen Praktiken - egal ob "normal" oder "unnormal" - weit vor der Fotografie erfunden. Das gilt auch für Gewalt, Waffen und so vieles andere.
Man sollte sich und sein Hobby auch nicht zu wichtig nehmen.
5 years ago
Im Verlauf mit diversen Experten fiel der, für mich interessante, Satz, der auch dieses Thema jetzt auslöste (sinngemäß): Es ist noch gar nicht so lange her, dass viele sexuelle Spielarten, die heute als völlig offen und gesellschaftlich anerkannt sind, wie z.B. Fetisch, BDSM und Sado- Masospiele, damals durch die Psychologie als echte Krankheit diagnostiziert wurden (noch in den 70er und 80er Jahren).

Na ja - daß Homosexualität nicht mehr als "echte Krankheit" eingestuft wird, ist auch nur wenige Jahre länger her...
Die Psychologie folgt da immer dem gesellschaftlichen Zeitgeist.

Sowohl "Fetischismus" als auch "Sado-Maso" sind übrigens viele 1000 Jahre alt. "Sado-Maso-Orgien" gab es schon bei den alten Griechen und Römern, und im viktorianischen Zeitalter sowieso...

Im weiteren Verlauf wurde dann natürlich auch das Internet herangezogen, welches natürlich den Zugang zu diesen Bildern und so auch das Wissen um diese Spielarten erweitert hat. Ich will nicht sagen, dass wir Fotografen und Modelle die Menscheit befreit und aufgeklärt haben, aber unsere Bilder haben sicher auch eine Wirkung auf die Gesellschaft. Hier gerade auch die Fetishfotografie.

Es gibt die "normative Kraft des Faktischen". Daß RTL und SAT1 Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre kistenweise "Schulmädchen-Reporte" und andere Softpornos billig eingekauft haben und ebenso abstruse Sendungen wie "Tutti Frutti", das hat größeren Einfluß auf das gehabt, was einige Jahre später kaum noch jemanden besonders schockieren konnte, als jede durchdachte Aufklärungskampagne.

Als die ersten jungen Frauen Mitte der 60er Jahre in Miniröcken herumliefen, war halb Deutschland noch zutiefst schockiert. Da konnten die öffentlich-rechtlichen TV-Sender auf der Straße "O-Ton" von Bundesbürgern einfangen... wenn man das heute sieht fragt man sich, ob das eine komplett schräge Verarsche war... War es aber nicht. Die haben das damals wirklich genau so ernst gemeint.

Schon fünf Jahre später hat sich kaum noch jemand aufgeregt, und die paar, die sich immer noch aufregten, haben sich kaum noch getraut, das laut zu sagen, aus Angst, sich restlos lächerlich zu machen.

1990 noch hat die "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften" einen Beate Uhse-Katalog als "jugendgefährdend" auf den Index gesetzt. Grund: im Katalog wurden Dildos angeboten und Gleitcreme, und in einem Gutachten für die BPS erklärte der Hamburger Pädagogik-Professor Horst Scarbath, die "Verharmlosung von Selbstbefriedigung und Homosexualität" sei "schwer jugendgefährdend und sozial-ethisch desorientierend". (BPS-Report 1/91)

Das würden die heute auch nicht mehr machen... (Es sei denn vielleicht unter einem pseudo-feministischen Deckmäntelchen.)

Insofern: ja, jedes Aktfoto, jedes Fetisch-Bild, jede S/M-Darstellung ist ein kleines Tröpfchen, das den Stein weiter aushöhlt...
5 years ago
In dem Zusammenhang finde ich es auch interessant zu betrachten, wie z.B. amerikanisch prüde Weltanschauungen durch Social Media Dienste der Kunst aufgedrückt werden.
5 years ago
Ich glaube schon, das jedes Bild, egal ob gemalt, fotografiert oder als Animee ein Stück weit zu einer Akzeptanz beiträgt. Das sehe ich sogar als gut so an.
Es gibt dabei aber ein Problem, es gibt Menschen die können nicht differenzieren, ist das jetzt allgemeiner Standard oder doch nur individuelle Vorlieben.

Als Beispiel die Miniröcke, da gibt es Menschen die Frauen in Miniröcken als Einladung für Sex oder gar zur Vergewaltigung ansehen. Erst kürzlich urteilte auch eine Richterin in einem Vergewaltigungsfall, daß die entsprechende Frau durch ihren Kleidungstil eine Mitschuld trage.
Nach 50 shadesofgrey gibt es eine weit verbreitete Meinung, das alle Frauen auf BDSM stehen. So ist es aber nicht.
Durch viele Aktbilder wird es dennoch nicht normal, das sich alle Modelle nackt fotografieren lassen. Und auch nicht jedes Model was erotische oder sexuell anmutende Bilder von sich einstellt, steht für Sex mit jedem zur Verfügung.

Es ist der Spagat zwischen Aufklärung und Normalisierung auf der einen Seite und dem Manifestieren von Wünschen, Trieben und falschen Annahmen auf der anderen Seite.
5 years ago
Ah ja, die "amerikanische Prüderie" mal wieder.

Die ist allerdings zweigeteilt, denn wo auf der einen Seite Kirchen und besorgte Republikaner die Jungfräulichkeit bis zur Ehe fordern hat die weltgrößte - amerikanische! - Pornoindustrie über das Netz wahrscheinlich mehr zur "Aufklärung" bzw. Information über jegliche sexuelle Spielarten beigetragen als sich irgendwelche Schulmädchenreporte und Tutti Fruttis jemals hätten erträumen lassen. Praised be America, land of the free!

Mit allen Vor- und Nachteilen. Ob man es als Vorteil sieht daß 13 jährige schon täglich ganz normal zu, sagen wir mal, nicht gerade zärtlichen Pornos wichsen... weiß nicht. Daß Pornos zum heutigen Standardkörperbild nicht nur beigetragen sondern wahrscheinlich geführt haben, keine Frage. Daß sie aber auch zu einer höheren Akzeptanz aller möglichen nicht der Norm entsprechenden Praktiken geführt haben, das kann man (mit der Einschränkung "solange alle Spaß haben") vielleicht durchaus als positiv werten, auch gestiegene Akzeptanz gegenüber Homo- oder Transsexualität könnte damit zu tun haben.
Aber wir Knipser haben dazu gar nichts beigetragen, sorry. Vielleicht noch in den Neunzigern, als die Leitungen noch nicht schnell genug waren für Video, aber ansonsten, nö. Wir könnten es höchstens mit Talent und Mühe etwas ästhetischer verpacken.
@Magistus
In dem Zusammenhang finde ich es auch interessant zu betrachten, wie z.B. amerikanisch prüde Weltanschauungen durch Social Media Dienste der Kunst aufgedrückt werden.

Stimme ich voll zu.

Gerade FB mit seinen ganzen Ablegern zensieren die Kunst und nein dabei geht es nicht nur um Nackheit.
Ein Beispiel: FB löschte mal ein Bild von einer " Mutter die Ihr Baby stillte "
Ohja soetwas verstört die Jugend...

Der Jugendschutz wird doch eh immer so praktiziert wie er gerade gebraucht wird.
Gewinnspiele im TV ab 14j erlaubt .. wow ..
16j werden als dumme Kinder behandelt wenn es um Klimaschutz geht aber wenn es um Wahlstimmen geht dann sind sie plötzlich alt genug, dürfen aber anderseits nicht selber entscheiden ob sie zu einem Fotografen gehen.
5 years ago
@Magistus:
In dem Zusammenhang finde ich es auch interessant zu betrachten, wie z.B. amerikanisch prüde Weltanschauungen durch Social Media Dienste der Kunst aufgedrückt werden.

Auf jeden Fall. Wobei das absurdeste an der ganzen Sache ist, daß in den USA rechtlich viel mehr an Pornographie und "Pornographie" erlaubt ist als in Deutschland, dem "First Amendment" sei Dank.

Wie sagte es die deutsche Filmemacherin Doris Dörrie (seit vielen Jahren in den USA lebend) mal so schön: "Es gibt kein Volk, das gleichzeitig so prüde und so obszön ist wie die Amerikaner"... ;-)
5 years ago
@Casa de Chrisso:
Daß Pornos zum heutigen Standardkörperbild nicht nur beigetragen sondern wahrscheinlich geführt haben, keine Frage.

Das geht nicht auf - das heutige "Standardkörperbild" ist super-schlank bis zur Magersucht. Damit kann man in Pornos keinen Blumentopf gewinnen.

Wenn das Aussehen von üblichen Porno-Darstellerinnen die gesellschaftliche Normvorstellung über das Aussehen (von Mädchen und Frauen) prägen würde, wäre das absolut positiv. Wir müssten uns dann über die Gefahren, die vom "Vorbild der Mager-Models" ausgehen, keinerlei Gedanken machen...

(Und ganz ehrlich: wenn das entsprechende Männerbild mit gut trainierten "Six-Pack" ein Normvorbild wäre, wäre das auch nicht so verkehrt. Die Jungs wären dann regelmäßig auf dem Sportplatz oder im Fitness-Studio, anstatt sich eine adipöse Wampe anzufuttern...)
5 years ago
Schwachsinn Tom. Heute sind 90% der Abiturientinnen untenrum glattrasiert, Frauen lassen sich ihre Schamlippen zurechtschnippeln damit's ordentlich nach kindlich aussieht, Brüste werden auf Standard gebracht, mal ganz abgesehen vom ziemlich ernüchternden Frauen/Männerbild das der Mainstreamporn vermittelt. Gesund ist an der ganzen Geschichte überhaupt gar nichts. Magersucht ist zwar immer noch en vogue, fing aber schon früher an und ist eher auf die Beautyindustrie zurückzuführen, damals konnte man wenigstens noch unterhalb der Kleidung aussehen wie man wollte.
Um es vielleicht mal etwas drastisch auszudrücken.

Nicht unbedingt jeder einzelne Mensch, aber die Menschheit als solche ist dumm wie ein Stück Scheisse.
(man siehe nur mal an was die Menscheit in den letzten 100 Jahren, im nicht technischen Bereich gelernt hat, wie wenig sie sich entwickelt hat)
Jede dumme Masse braucht Leitfiguren und Leidbilder. je mehr ein Thema in der Öffentlichkeit präsent ist, desto höher ist auch die Akzeptanz. Nur so sind überhaupt Trends und Modeerscheinungen zu erklären.

Also ja, jedes einzelne Bild hat einen Einfluss, weil es einen Teil der Masse erreicht. Man kann ja über insta denken was man will, aber der Begriff influencer trifft ja den Nagel schon auf den Kopf.
"Amerikanische Prüderie"... wenn ich das schon wieder lese.
Ja, es kann nervig sein, in den sozialen Netzwerken keine Nackedeibilder zeigen zu dürfen. Aber das hat nichts mit Prüderie zu tun.

Ach egal.

@Michael:
Ganz schön tapfer, bei dem Großaufgebot an Halbwissen und Vorurteilen - das ja typisch für das MK-Forum ist - hier ernsthaft komplexe Themen debattieren zu wollen.

Viel Spaß :D
5 years ago
.
es gibt Leute, die zeigen keine ……………. Nacktbilder im Internet …………. beleidigen aber andere
Menschen und versuchen diese lächerlich zu machen ……………………………………………………………….
.....................…..................……......… Sprache ………………….. als Mittel zur Erniedrigung ………………….
es geht nicht nur um kranke Bilder ……………. mir ist ein Nacktfoto lieber ……….. als Sprachgewalt
5 years ago
Milan Carsten Weiss | plainorwat

@Michael:
Ganz schön tapfer, bei dem Großaufgebot an Halbwissen und Vorurteilen - das ja typisch für das MK-Forum ist - hier ernsthaft komplexe Themen debattieren zu wollen.

Viel Spaß :D


u make my day :)
5 years ago
Photograph - Hast Du gerade Pünktchen und Anton gelesen und Dich gegen Anton entschieden?
5 years ago
Chrissi - hab ich nich
5 years ago
Dass simple Gewöhnung (völlig unabhängig vom Thema) wunderbar funktioniert, sieht man auch an vielen Threads der letzten Wochen.

Viele langjährige MK-Fotografen können sich offensichtlich nicht mehr vorstellen, dass die ständige Präsenz einer sehr expliziten Nacktheit und sexueller Inhalte irgendwen stören könnte. Für sie ist das schlicht Normalität - eine, mit der sie wunderbar umgehen können.

Wohlgemerkt: so weit meine ich das gar nicht wertend und lasse grundsätzlich liebend gerne allen Menschen ihre jeweiligen Spielarten (so lange sie damit Dritte nicht schädigen).

Allerdings ist die Konsequenz oft auch eine gewisse Abstumpfung und ein Verlust an Empathie - Menschen, die sich in ihr Gegenüber nicht mehr hinein versetzen können oder das Gespür für "leise Töne" verlieren. Und dazu tragen sicherlich sämtliche Bild- und Ton-Medien bei.

Finde ich persönlich ein Stück weit schade.

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