Ein Quantensprung beim Niveau? 86

5 years ago
@shoshin und @aspan


" Aspan du könntest auch einfach einen Satz schreiben: bestimmte Rückmeldung bringt mir nix ohne einen Schwall an Unterstellungen der dann folgt,


Danke. Ich empfinde den Schwall an Unterstellungen auch höchst destruktiv.


das sehe ich genauso, vielen dank
vielleicht ist die zeit des Burgfriedens ja vorüber
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wobei beim brexit ein neuer versucht wird (oder auch nicht)
5 years ago
Regelwerke haben Vorteile und können auch hinderlich sein, so meine Haltung. Wie in der Musik: Will ich ne Symphonie oder Punk? Beides Ausrichtungen, die ich sehr schätze. Wobei Punk dann unbewusst ebenfalls ein eigenes (wenn auch spärliches) Regelwerk kreiiert hat.

Regelwerke schärfen den Blick und das Bewusstsein. Regeln können für bestimmte Absichten hilfreiche Werkzeuge sein, das Ziel zu erreichen. Und damit die Qualität des künstlerischen Handelns steigern. Aber sie repräsentieren bestimmte Ideale, die nur für eine Kulturepoche oder ein kulturelles Segment Gültigkeit haben. Das macht sie insgesamt relativ.

Es gibt eben auch künstlerische Absichten, da steht erst mal jede Regel der Absicht im Wege und sie ist sogar kontraproduktiv. Bei Innovationen im Ansatz. Wenn man andere Prinzipien der Bildwirkungen ausprobiert oder verfolgt. Oder eine andere Ausgangspositionierung. Solche mit Bewusstsein zu verfolgen ist wohl gut, muss aber nicht, das Gefühl kann durchaus ein guter Träger sein.

Deswegen schwankte ich etwas, als ich schrieb "zuerst sympathisch" dann "suboptimal": Einigkeit wie man diskutiert erschien mir erst vorteilhaft, aber die doch sehr verschiedenen Ansätze des Bildermachenwollens (und des Bilderwahrnehmens) legen dann doch fairerweise nahe, einseitige Zwänge zu relativieren und sich gegebenenfalls neu einzulassen. Auch in der Hinsicht kann man seinen Horizont erweitern.

Und sich über die verschiedenen Ansätze herablassend zu äußern scheint mir deswegen brisant. Wir leben gottseidank nicht im Mittelalter, wo die Regelwerke für Bildgestaltung sehr zwingend waren und eine einheitliche Betrachtungsweise (und Beurteilung) repräsentierten. Sondern in einer offenen, unübersichtlichen Kultur, die die Zwänge nicht ohne Sinn aufgeweicht bzw. relativiert hat.
5 years ago
@Wanderphotograph:
Wenn ein Bild beunruhigend wirken soll und es wirkt auch so, dann ist erstmal das Ziel erreicht. Wenn aber ein Bild unheimlich wirken soll und es bekommt Atribute wie schön, beruhigend und luftig, dann ist evtl. was schiefgegangen.

Auch da würde ich nicht von "schiefgegangen" sprechen wollen.
Mir fällt dazu spontan den herrliche Film "Verfluchtes Amsterdam" ein (Originaltitel: Amsterdamned).
Das ist ein niederländischer Thriller von 1988, Regie Dick Maas, mit Huub Staapel und Monique van de Veen in den Hauptrollen. Story: ein grausamer Mörder treibt sein Unwesen in den Grachten von Amsterdam.

Der Film ist ein gut gemachter Thriller, und gleichzeitig eine unbeabsichtigte großartige Image-Werbung für Amsterdam. Man bekommt spontan große Lust, nach Amsterdam zu reisen, oder sogar mal ein paar Jahre in Amsterdam zu leben. Da ist nichts "schiefgegangen", das ist einfach eine Nebenwirkung, die der Film auf einen Teil der Zuschauer hat.

Wenn ich als Fotograf möchte, daß mein Bild die Wirkung "unheimlich" transportieren soll, es bei einem Betrachter aber die Wirkung "schön, beruhigend und luftig" erzielt, dann liegt das nicht daran, daß ich das Ziel verfehlt habe, "unheimlich" zu übermitteln, sondern daran, daß verschiedene Menschen total verschiedene Sachen als "unheimlich" empfinden.

Anderes Beispiel: Francis Ford Coppalas genialer Film "Apocalypse now!" wird üblicherweise als "Anti-Kriegs-Film" deklariert. Für mich - und ich bin nicht der einzige damit - ist der Film ein genialer "Kriegs-Porno". Was übrigens auch dem Buch entspricht, das die Hauptinspiration für den Film war, nämlich das Buch "Dispatches" (Deutsch: An die Hölle verraten) des US-Kriegsreporters Michael Herr über seine Zeit in Vietnam auf dem Höhepunkt des Vietnamkrieges. Michael Herr beschäftigt sich daran intensiv mit dem Phänomen der "Faszination Krieg".

"Apocalypse now!" ist genial, und weckt bei mir den starken Wunsch, übermogen in ein solches Kriegsgebiet abzureisen und in all solche Dinge einzutauchen. Für andere Betrachter ist der Film schockierend und zeigt die Grauen des Krieges. Für mich zeigt er die Faszination, die dieses Grauen ausüben kann.

Wer hat da nun recht? Wir alle.
5 years ago
Zwei absichtlich völlig konstruierte, abstruse Beispiele. Aber lass dich doch mal für einen Moment gedanklich auf die Idee ein, dass diese "Regeln" eigentlich gleichwertig sein müssten zu "die Fokusebene aufs Auge legen" oder "nicht durch Gelenke schneiden".


moments, ich lasse mich gern auf diese Idee ein, wie auf jede andere auch - nur nicht auf die bangebüchsige, lachhafte Vorannahme, ein solcher Kriterienkatalog bzw. ein solches Regelwerk sei ja von vornherein eine diktatorische Zwangsmaßnahme, der sich jeder unterziehen müsse, um gute von schlechter Fotografie zu scheiden. Genau da sind die Ängste verortet, von denen niemand spricht: Wenn sich durch den Abgleich mit einem Kriterienkatalog Hinweise darauf ergeben, dass man lieber irgendeinem Gefühl (oder den Auswüchsen chronischer Ungeficktheit) folgt, anstatt komplementär auch mal seine Birne beim Knipsen einzuschalten; wenn herauskommt, dass die große Mehrheit aller "Erfolge" Produkte des Zufalls sind, um die anschließend mit erfundenen Geschichten der Mythos einer geplanten, zielgerichteten Handlung gebastelt wird; wenn herauskommt, dass man kein Kämpfer für kreative Freiheit, sondern ein Bummler mit Hohlkammer zwischen den Ohren ist, der seine comfort zone nicht einen Millimeter weit verlassen will, für seine Werke aber trotzdem auf positive Resonanz hofft - am besten unter Gleichgesinnten, die ähnlich schlecht arbeiten - könnte man schlecht aussehen, und das gilt es zu verhindern. Keine Entblödung ist zu gewagt, kein konstruiertes Feindbild zu läppisch, um diesen Fall zu verhindern - der Verweis auf die Gefährdung der Freiheit, die Betonung des Gefühls, des "Bauchs", abgehobene Diskriminierungsszenarien, in denen zukünftig verboten wird, entgegen etablierter Sehgewohnheiten zu arbeiten, im Zweifelsfall ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedroht und wir stehen wieder kurz vor 1933.

Das, worum es mir ging, war ein Katalog fester, aber erweiterbarer Kriterien, anhand dessen man sein Bild analysieren und diskutieren lassen kann, wenn man das möchte. Womöglich haben manche den letzten Satzteil einfach überlesen, oder die schiere Existenz eines solchen Regelwerks löst schon Ängste aus, an seine Grenzen zu geraten, weil man es zu mehr nicht bringt. In jedem Fall ist bemerkenswert, wie konsequent und aufwendig das Moment der Freiwilligkeit von allen ignoriert wird, die hier mitschreiben. - Sicher ist: Eine solche Idee wird lange, bevor sie auch nur konzeptionell tauglich wird, von einer Verschwörung von Idioten im besten Bildzeitungs-Stil als diktatorisch, feindselig, zerstörerisch und quasi-faschistoid verfemt, um jede Möglichkeit im Keim zu ersticken, dass sie tatsächlich Anwendung findet.
Keine Angst der Mittelmäßigen ist größer als die, ihre Selbstgenügsamkeit zu konfrontieren.

Aber warum sollte deswegen niemand nach ihnen fotografieren?


Frage ich mich auch. Ich bin sicher, dass ich diese seltsame Schlußfolgerung nicht nachvollziehen kann. Falls du es kannst, bitte erklär mir die Herleitung.

nur würde mich jetzt persönlich interessieren lieber @aspan ... wie gehst du an deine bilder ran und setzt sie um?


Wozu? Um daran die Wahrheit oder Unwahrheit meiner Aussagen zu bemessen? Disclaimer: Es wäre für meine Zwecke unvorteilhaft, meine Herangehensweise hier zu erörtern. Unter den gegebenen Umständen wird sie in jedem Fall eingenommen, wiedergekaut und gegen mich verwertet.

Aspan du könntest auch einfach einen Satz schreiben: bestimmte Rückmeldung bringt mir nix ohne einen Schwall an Unterstellungen der dann folgt, wäre sicher hilfreich und würde deine Texte massiv abkürzen und damit straffen.


Wenn du damit zum Ausdruck bringen möchtest, dass du dich von meinen Worten angesprochen fühlst und dir das nicht angenehm ist, sind wir einer Meinung.

Witzigerweise sehe ich nun in deiner fotografie definitiv kein fotografieren nach regeln, weshalb mir doppelt unklar ist wieso du da so drauf eindrischt.


Weil du von deiner eigenen Grundhaltung ausgehst: Einmal gemachte Fehler in jedem Fall zu wiederholen.

[...] und akzeptieren ohne Abwertung und Beleidigung und pseudotiefgründige Psychologisierungen, dass für manche Leute die Schwerpunkte woanders liegen, die Ziele andere sind und sie diese anders zu erreichen suchen.


Oh nein, schalli, das könnte ich niemals akzeptieren, ausgeschlossen. Ich gebe keine Ruhe, bis alle akzeptiert haben, dass meine Schwerpunkte die einzig wahren sind, jeder so arbeitet wie ich und ich durch unbegrenzte Herrschaft meinen Kriterienkatalog allen aufzwängen kann. Der Fotocowboy, SEE so/easy/ey und perfekt(?)ion(!) sind die ersten, die ich zu 20 Jahren Steinbruch verurteile.

das sehe ich genauso, vielen dank
vielleicht ist die zeit des Burgfriedens ja vorüber
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Vielleicht sind die Forenten als Bande von Hysteriker zu bezeichnen, die geschlossen gegen einen Teilnehmer stehen und gleichzeitig den "Burgfrieden" (den es nie gab) als aufgekündigt verstehen wollen.
5 years ago

Das, worum es mir ging, war ein Katalog fester, aber erweiterbarer Kriterien, anhand dessen man sein Bild analysieren und diskutieren lassen kann, wenn man das möchte.

@aspan:
Wie sieht denn nun so ein Kriterienkatalog aus?
Mach mal einen Vorschlag für ein mögliches Kriterium mit klarem Erfüllungskriterium (ggf. modulo Bildtyp).

Ich habe ja in dem anderen Thread einige Fragen gestellt, die der Reflektion dienen können. Meine Intention war, dass daran die subjektiven Urteile gemessen werden können. Soweit ich das sehe, wird genau das hier auch gemacht. Es werden die Fragen wie Schnitt, Lichtführung, Beleuchtung und Linienführung diskutiert. Nur eben nicht im Sinne von "das eine ist besser", sondern "so wirken diese Elemente auf mich". Was ich unabhängig von positiv oder negativem Feedback spannend finde.

In einem der Nachbarthreads wird diskutiert, ob eine Lichtkante am Ohr zur Modellierung der vom Hauptlicht nicht beleuchteten Seite des Hinterkopfes dem Bild gut tut oder nicht. Es gibt verschiedene Meinungen dazu, aber es sollte doch klar sein, dass der Fotograf sehr bewusst diese Lichtkannte gesetzt hat. Zufällig entsteht die nämlich nicht, und auch nicht allein aufgrund eines Gefühls, sondern durch präzise Lichtsetzung.

Daneben weiss ich nicht, warum Du immer vom Gefühl als Auslöser der Fotos sprichst -- ich selbst fotografiere wenig mit einem bestimmten Gefühl als Ausgangspunkt und bezweifle, dass ich damit alleine bin.
5 years ago
@aspan
perfekt(?)ion(!) sind die ersten, die ich zu 20 Jahren Steinbruch verurteile.

das sehe ich genauso, vielen dank
vielleicht ist die zeit des Burgfriedens ja vorüber
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vielen dank, da finde ich aber 20 J erstaunlich milde
5 years ago
@aspan

Sorry, aber ich komm nicht mehr mit. Als ein einfacher Mensch mit einer einfachen Sprache bin ich mit deinen Formulierungen stellenweise überfordert - da geht dann die Bedeutung verloren. :-)

Wenn du Bilder an klassischen Gestaltungsmerkmalen bzw. handwerklichen Aspekten messen möchtest, dann tu das. Dafür brauchen wir selbige aber nicht neu zu definieren - schlag einfach ein halbwegs vernünftiges Fachbuch deiner Wahl auf.

Und wenn andere Fotografen der Meinung sind, ihnen wäre selbige Kriterien egal und sie möchten ihre Bilder gar nicht daran messen, sollen sie es bleiben lassen.

Dann hat jeder seine Welt und kann in ihr glücklich werden. Und das geht dann - so man möchte - sogar, ohne die jeweils andere überhaupt zu verstehen. ;-)


Einzig, und da hatte ich dir ja in #54 schon beigepflichtet: manche Leute sollten aufhören, "nicht wissen" bzw. "nicht können" immer mit "nicht wollen" zu verwechseln.
5 years ago
.
.. stell dir vor .. du sitzt bei Bocuse + 4 Gäste spucken auf deinen Teller .. immer wieder ..
.
einfach schlucken ? Burgfrieden bewahren ?
.
[gone] schallkoerper fotografie
5 years ago
ok, Satire oder ?!

aspi...mal zur Abwechslung weniger Drama und Pathos und Anklage...dann hast Du ja Interessantes zu erzählen, so nicht.

Und was ich zum Ausdruck bringen wollte kannste ja nachlesen, soweit hast Du aber noch Probleme es zu verstehen, im Zweifel fragen, nicht mutmaßen.

aber...witzig Deinen Text zu ner Symphonie von Philip Glass zu lesen :)
5 years ago
Tom, da machst Du es Dir jetzt aber zu leicht.

Wenn eine beabsichtigte Wirkung nicht erzielt wird, dann ist eben etwas schiefgelaufen.
Über das "Was ist schiefgelaufen?" kann man dann trefflich streiten, auch über "Mitnahme- oder Ausschlußeffekte" (mir fallen dazu gerade keine besseren Begriffe ein).
Klar ist nämlich auch, daß es immer individuelle Ausreißer geben wird. Ob diese relevant sind, ist dann wieder eine andere Frage.

Wenn es sich aber nicht um individuelle Ausreißer handelt, sondern um eine Gruppe, dann muß man sich überlegen, ob diese Gruppe relevant als Publikum ist.
Viele Gestaltungsmittel, aber vor allem Metaphern, sind eben nicht universell oder wirken in unterschiedlichen Gruppen und Regionen usw. unterschiedlich stark.
Ich erinnere nur an die rechts-links-Richtungsproblematik. Im arabischen Raum und bei Linkshändern funktionieren rechts-links-richtungsorientierte Gestaltungsmittel etwas anders und völlig unberechenbar wird es dann bei Ambidextern.

Wenn ich das nicht beachte und ausgerechnet diese Leute mein Zielpublikum sind, dann ist eben etwas schiefgelaufen, egal ob es beim typischen Mitteleuropäer funktioniert.
[gone] User_6449
5 years ago
Zitat: der_photograph
.. stell dir vor .. du sitzt bei Bocuse + 4 Gäste spucken auf deinen Teller .. immer wieder .. einfach schlucken? Burgfrieden bewahren?

Ja, genau so war der "Burgfriede" damals im Mittelalter gedacht.

Mit "Gästen die auf den Teller spucken" ist man eben mal vor die
Burg gegangen, um ihnen Manieren beizubringen. Aber innerhalb
der Burg (der Umfriedung) war unter allen Umständen Friede zu
bewahren.

Übertragen auf die MK:

Innerhalb des Forums (als Umfriedung) könnte man das auch so
machen, aber es würde sich heutzutage kaum noch jemand daran
halten. Die Menschen im Mittelalter waren dabei schon sehr viel
fortschrittlicher als wir ... ;-)
5 years ago
ich kann mir kaum vorstellen, dass bei bocuse mir jmd auf den teller spuckt
5 years ago
Tom, da machst Du es Dir jetzt aber zu leicht.

Wenn eine beabsichtigte Wirkung nicht erzielt wird, dann ist eben etwas schiefgelaufen.

Nein. Das macht es sich zu leicht... ;-)
Ich mache es mir gar nicht leicht - ich aktzeptiere nur die Tatsache, daß verschiedene Menschen verschiedene Bilder (Texte, Kunstwerke, etc.) extrem unterschiedlich empfinden. Es ist schlicht unmöglich, einen Inhalt in einer Weise zu transportieren, daß alle Empfänger ihn gleich verstehen.

(Das klappt ansatzweise bei einfachsten Informationen wie "Stop! Anhalten!" Aber selbst da nur in Grenzen.)

Fotos sind ein Kommunikationsmittel, und Kommunikation läuft immer auf mehreren Ebenen parallel und hängt vom Empfänger genauso ab wie vom Sender.

Über das "Was ist schiefgelaufen?" kann man dann trefflich streiten, auch über "Mitnahme- oder Ausschlußeffekte" (mir fallen dazu gerade keine besseren Begriffe ein).

Was will man sich da streiten?

Empfänger A versteht es ungefähr so wie ich es meine. Empfänger B versteht es ziemlich anders.
Also ändere ich die Art meiner Übermittlung. Nun versteht Empfänger B es ungefähr wie ich es meine, und Empfänger A versteht es völlig anders.

Das führt nicht weiter. Weiter führt die Erkenntnis, daß jeder Empfänger Bilder, Texte, Musik, andere Kunstwerke immer ganz individuell versteht. Das zu erkennen und zu akzeptieren ist kein Versagen, sondern das Gegenteil davon.

Außerdem will ich mich vielleicht ja auch gar nicht anpassen. Und schon gar nicht an ein Mehrheitsempfinden. (Ich bin Fotograf, kein Politiker.) Ich gehe im Gegenteil sogar fest davon aus, daß ein Teil der Betrachter meine Bilder (oder meine Texte) anders empfinden wird als ich sie gemeint habe.

Und das ist auch gut so. Ich möchte, daß sie beim Betrachter etwas auslösen. Irgendwas. Der Rest liegt dann beim Betrachter. Wenn man so will: ich gebe Denkanstöße (oder auch "Gefühlsanstöße").

Wo das Denken dann hinführt... ist nicht wichtig. Hauptsache: es wird überhaupt was gedacht oder empfunden.

Für mich sind alle Reaktionen positiv, ausgenommen nur "Hä? Hä??" Das würde ich in Grenzen als Versagen empfinden, allerdings weiß ich inzwischen auch, daß so ein verständnisloses "Hä? Hä??" durchaus auch aus mangelnden intellektuellen Fähigkeiten des Empfänger resultieren kann...

Deshalb mag ich ja auch Beuys nicht, weil der bei mir regelmäßig nur ein "Hä?" auslöst. (Was manch einer vermutlich auf fehlende intellektuelle Fähigkeiten meinerseits zurückführen wird, womit ich aber auch gut leben kann.)
Und deshalb finde ich die Nummer mit der Beuys'schen Badewanne so unendlich genial. Da hat Beuys ganz unbeabsichtigt ein echtes grandioses Kunstwerk geschaffen.

Auch wenn er ein bißchen fremde Hilfe dabei gehabt hat... ;-)
5 years ago
Tom:
Deshalb mag ich ja auch Beuys nicht, weil der bei mir regelmäßig nur ein "Hä?" auslöst.
Ist mir schon peinlich, auf die Dauerprovokation einzugehen, dennoch: Ein Mensch wie du, der die intellektuellen Fähigkeiten ja hat, kann dem Phänomen ja auch mal nachgehen, also verstehen wollen. Das tust du aber nicht und machst es wie viele, bei denen du sonst Toleranz einforderst - du hackst immer wieder verständnislos und sogar verächtlich bis beleidigend darauf herum und findest es überflüssig, die Anstrengung zu unternehmen, das störend Unverstandene zu erkunden. (Und zu Beuys gibt es ja nun wirklich genug Textmaterial, das Verständnis ermöglicht.)
5 years ago
zur erläuterung zitat aus wikipedia

Die mit Heftpflaster, Mullbinden, Fett und Kupferdraht bearbeitete Säuglingsbadewanne, erstmals 1968 oder 1969 in der Kunstakademie Düsseldorf öffentlich ausgestellt,[1] war 1972 bis 1973 neben anderen Werken von Beuys als Leihgabe des Kunstsammlers Lothar Schirmer Teil der Wanderausstellung „Realität – Realismus – Realität“ von sieben städtischen Museen, darunter das Wuppertaler Von der Heydt-Museum als Leihnehmer und das Städtische Museum für moderne Kunst Leverkusen.[2] Eine Schrifttafel trug den Vermerk, in diesem Gefäß sei einst der Säugling Joseph Beuys gebadet worden. Dieser wurde von Unbekannten mit den Worten „Offenbar zu heiß“ ergänzt.[3][4]

Für die Ausstellung im Schloss Morsbroich ging das Werk nach Leverkusen und wurde dort eingelagert, da die Ausstellung noch aufgebaut werden sollte. Der SPD-Ortsverein Leverkusen-Alkenrath feierte am 3. November 1973 in diesem Museum ein Fest. Zwei SPD-Mitglieder, Hilde Müller und Marianne Klein, suchten eine Schüssel zum Gläserspülen und entdeckten die scheinbar mit Heftpflaster und Mullbinden[5] verschmutzte Badewanne, ohne zu ahnen, dass diese mit ihren Materialien ein Kunstwerk war. „Wir dachten, das alte Ding könnten wir schön sauber machen und benutzen, um darin unsere Gläser zu spülen“, erinnern sie sich, „so wie die aussah, konnten wir sie nicht gebrauchen. Deshalb haben wir die Wanne geschrubbt.“

Dadurch wurde ein Skandal ausgelöst; Beuys war nicht begeistert. Schirmer fiel in Bezug zu dem verunstalteten Objekt zunächst nur der Vergleich mit einem „rasierten Kaktus“ ein.[6] Die Stadt Wuppertal als Leihnehmer wurde durch Schirmer verklagt und 1976 vom Landgericht Wuppertal in erster Instanz zu 40.000 DM[3] und vom Oberlandesgericht Düsseldorf in zweiter Instanz zu 58.000 DM Schadensersatz verurteilt; Schirmer bekam dabei auch die Badewanne zugesprochen.[7] Im Auftrag von Schirmer versuchte Beuys 1977 in München die Badewanne als Kunstwerk wiederherzustellen, wobei alle vorhandenen Fotografien zurate gezogen wurden und die ursprünglichen Materialien, soweit sie noch zu beschaffen waren, wieder zum Einsatz kamen.[7][8] Als Schenkung von Lothar Schirmer wurde die Wanne 2013 Bestandteil der Beuys-Sammlung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München.[9]

Ein ähnliches Schicksal widerfuhr 1986 Beuys’ Fettecke in seinem ehemaligen Atelier Raum 3 in der Düsseldorfer Kunstakademie, die nach dem Tod des Künstlers vom Hausmeister der Akademie entfernt wurde. Auch eine Puppe, die Beuys zu Beginn der 1960er Jahre als Spielplastik für den Schulhof der Düsseldorfer Rolandschule geschaffen hatte, war wenig später ruiniert.
5 years ago
Manche erfreuen sich halt lieber an den Anekdoten als an Substantiellem.
5 years ago
Es ist schlicht unmöglich, einen Inhalt in einer Weise zu transportieren, daß alle Empfänger ihn gleich verstehen.

Das habe ich auch nicht behauptet, aber man kann einen ziemlich großen Teil erreichen, der es sehr ähnlich versteht.

Es gibt Gestaltungsmittel, die kann man betätigen wie eine Klaviertaste und die wirken so ziemlich universell über alle Kulturgrenzen hinweg. Das Kindchenschema funktioniert sogar über die Artgrenzen hinweg, da gibt es sogar komplett automatisierte Filter/Plugins für Portraits.
Klar gibt es auch bei solch archaischen Gestaltungsmitteln Ausreißer, aber die sind selten und an eher ungewöhnliche Umstände gekoppelt. Und ein zuviel schlägt auch meist ins Gegenteil um.

Das Problem ist nur, daß man mit einem Ton keine Sinfonie spielen kann (und komm mir jetzt nicht mit irgendeinem Ami, der mal 5 Minuten Stille als Komposition sowieso bezeichnet hat). Die anderen Töne müssen auch passen.
Und manche Gestaltungsmittel und Metaphern sind kulturell, zeitlich, regional u.v.m. gebunden.

Weiter führt die Erkenntnis, daß jeder Empfänger Bilder, Texte, Musik, andere Kunstwerke immer ganz individuell versteht.

Bist Du Dir da wirklich so sicher? Wie kommt es dann, daß bei dem einen Künstler die eine Hälfte des Saals heult und die andere wenigstens noch einen Kloß im Hals hat? Beim nächsten es einen aber kalt läßt. Das ist dann auch nicht mehr besonders individuell.
Klar, es kommt immer ein gewisser individueller Teil des "Empfängers" dazu, aber wie groß dieser Teil ist, hängt eben vom Können des jeweiligen Künstlers ab, egal ob Photographie, Malerei oder Musik oder was auch immer.

Und Du hast natürlich auch recht, daß Die Feinheit des Verstehens eben auch davon abhängt, inwieweit der "Empfänger" in der Lage ist die Botschaft zu verstehen. Je größer die Gemeinsamkeiten, je einfacher wird es.
Aber, und das finde ich auch interessant, verringert man den individuellen Interpretations-Freiraum zu sehr, verliert das Ganze schlagartig seine Wirkung und wirkt nur noch plump.

Aber egal ob Du es willst bzw. sogar ablehnst, auch Du wendest einige dieser Mittel an (und das noch nicht mal schlecht). Ob bewußt oder unbewußt ist dabei überhaupt nicht wichtig. Mit genug Übung übernimmt nach einer Weile eh das Unterbewußtsein.
5 years ago
bei einme Künstler im Saal sitzen in der regel Besucher, die gerade wegen dieses Künstlers kommen
da ist zu erwarten, dass sie das dargebotene mögen
es sei denn der Künstler macht gerade einen Salto rückwärts in seiner darbietung
[gone] User_6449
5 years ago
Kaum eine Woche ist vergangen und schon ist das - angeblich gebesserte - Niveau im Forum wieder im Eimer ... :-)
5 years ago
Dann ist es offenbar das der MK entsprechende Niveau...

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