Bokehfrust oder Bokehlust 54

#21
Hmm, @Heinz Drstak... genau bei den beiden Bildern halte ich den Hintergrund aber ganz besonders wichtig für die Bildaussage und Wirkung. Das mag beiläufig aussehen, ist imho aber genau so gewollt.
#23
Ach je, der Einwand hat nichts mit dem zu tun, was ich oben geschrieben habe, unter Berücksichtigung des Kommentares von foto3000 auf die uninspiriert eingesetztes HGs. ;)
Da gebe ich ihm nämlich absolut recht.

However, ich weiß jetzt wieder, warum ich hier raus bin.
6 years ago
@heinz drstak: du hast recht, auch bei Newton in den Bildern eine undurchdringbare verschmierte grüne Nebelwand, und nix im Hintergrund zu erkennen. Offensichtlich versucht er , Dich zu kopieren...lach
6 years ago
Heinz! Manchmal kannst Du eine Nervensäge sein. Aber jetzt möchte ich mit Dir zusammen auf einer Gartenterrasse sitzen, ein Glas Wein trinken, über Fotografie fachsimpeln und zwischendurch herzlich lachen.
#27
6 years ago
In den letzten Jahren (vielleicht 5 bis 6 Jahre) wird nach meinen Beobachtungen Bokeh sowohl im Fotobereich als auch im Filmbereich massiv überzogen eingesetzt.

Ich frage mich ja immer noch, wie Profi- und Amateurfotografen eigentlich jahrzehntelang ohne jedes "Bokeh" fotografieren konnten...
;-)

Ich glaube, ich erwähnte es schon neulich in irgendeinem Thread mal - ich habe in jüngeren Jahren etliche Jahrgänge vom Foto-Magazin und Color-Foto der Jahre von ~1957 bis 1990 gelesen. Nein, nicht gelesen, sondern verschlungen, verzehrt, mehrfach durchgeschmökert. Ich kenne daher auch etliche fotografische Fachbegriffe, die heute kaum noch einer kennt (na? wer von Euch weiß ohne Wikipedia, was der "Schwarzschild-Effekt" ist?) Aber mir ist niemals der Begriff "Bokeh" begegnet.

Der tauchte erst in gewissen hyperaktiven WWW-Fotoforen auf...

Stichwort "Helmut Newton"... Der hat es genauso gemacht wie alle anderen halbwegs fähigen Fotografen seiner Zeit auch. Er wusste um die Wirkung der "Tiefenunschärfe" für Fotos. Und er wusste, daß verschiedene Brennweiten bei verschiedenen Entfernungen und verschiedenen Blendeneinstellungen eine unterschiedliche Unschärfe von "völlig unscharf, nur noch gemischt Farbfläche" bis "ist noch vieles in der Unschärfe erkennbar" bewirken.

Das kann man manchmal gezielt nutzen - und manchmal ist man einfach darauf angewiesen, was die gerade verwendbare Kombination aus Brennweite, Blende und Hintergrund hergibt. Ist da weit und breit nur eine weiße Wand um 12 Uhr mittags, vor der auf einer Länge von 20 Metern nur ein Laternenpfahl mit einem daran befestigten Mülleimer steht, dann sind die Möglichkeiten naturgemäß eher ziemlich begrenzt.

Gibt's "da hinten" eine mediterrane Bistro-Landschaft im frühen Dämmerlicht, wo schon Laternen und Leuchtreklamen und ein paar Autoscheinwerfer den Hintergrund beleben, dann sind ganz andere Sachen möglich.

Auch wenn man damit rechnen muss, daß die Autoscheinwerfer in dem Beispiel die unangenehme Eigenschaft haben, sich häufig dann zum Aufnahmezeitpunkt nicht genau da zu befinden, wo sie gestalterisch eigentlich hingehören...

Ich bin aber fest davon überzeugt, daß Newton beim Wort "Bokeh" leicht spöttisch die Mundwinkel verzogen und gedacht hätte "Was wollen sie mir nun schon wieder erzählen..."
6 years ago
@ Foto300:

Stell dir das folgende Foto mit durchgängiger Schärfe vor. Vom Gesicht bis unendlich. Sowohl der Baum, als auch die Belaubung der Sträucher würde die Konzentration auf das eigentlich wichtige Objekt, nämlich das Model, stören. Der Hintergrund wäre unruhig und der Eindruck von Tiefe und Dreidimensionalität würde fehlen. So ist zwar noch zu erahnen, dass im Hintergrund ein Baum und grün belaubte Sträucher stehen, aber die stören jetzt nicht mehr.

Vor der Erfindung des "Bokehs" hat man das ja einfach "freistellen" genannt.

Wobei es beim klassischen "Freistellen" darum geht, den Hintergrund in der Unschärfe zu eliminieren und nur noch farblich bzw. in seiner Helligkeit zu nutzen.
Gezielt mit Bildelementen in der Tiefenunschärfe zu arbeiten ist der nächste Schritt danach.
#30
6 years ago
Und ganz am Rande: "Bokeh" meint eigentlich noch was ganz anderes, technisch.
Nämlich die Art und Weise, wie ein Objektiv konstruktionsbedingt die Unschärfe zeigt. Der Klassiker war früher, vor der Erfindung des "Bokeh", die Tatsache, daß Spiegelobjektive (das legendäre Nikon 8/500 und das 11/1000) ihre besonders kurze Bauweise (der Strahlengang ist sozusagen im Objektiv hin und her gefaltet) mit einer Unschärfe außerhalb des Schärfenbereichs bezahlen, die z.B. Punkte nicht zu unscharfen Scheiben werden lässt, sondern zu Ringen.
Da konnte man immer sofort erkennen: ach, mal wieder ein Spiegel-Tele...
(Abblenden konnte man die Dinger übrigens auch nicht, die hatten eine Fix-Blende, ebenfalls konstruktionsbedingt... https://kenrockwell.com/nikon/500mm-f8-n.htm#perf zeigt es ganz gut. Rockwell hat da eine spätere Version von dem Ding, das gab's schon Ende der 1960er Jahre.)

Das Nikon Schiebezoom 2.8/80-200 AF kriegt übrigens einen ähnlichen Effekt zustande, unter bestimmten Aufnahmebedingungen. Das 2.8/180 nicht. (Das ist im Unschärfebereich einfach nur schlicht unscharf...)
6 years ago
Seit auch die deutschen Fotografen mehrheitlich Knipsen aus Japan verwenden, und nicht die schönen Leicas, dürfen auch die Fachbegriffe aus Japan kommen. Boke/Bokeh heißt übersetzt schlicht und einfach "unscharf, verschwommen".

Darum geht es doch gar nicht.
Die deutschen Fotografen verwendeten schon 1978 mehrheitlich japanische Kameras, und trotzdem kannte niemand hier den Begriff "Bokeh". Aber jeder wusste, was freistellen meint. (Und es gab auch keine Verwechslung mit dem "Freistellen", daß der Klischeur in der Druckvorstufe gemacht hat.)
Ach ja, und sag mal einem Bildbearbeiter, er möge "freistellen". Der wird meist was ganz anderes darunter verstehen.

Und die Personalabteilung versteht noch mal was anderes darunter. Und nu?

Letztlich ist es sogar beides - das Freistellen beim Fotografen und das Freistellen bei der EBV - dasselbe. Beides dient nämlich dazu, einen Teil des Bildes vom Rest zu trennen.
6 years ago
Und wenn der Hintergrund "inspirierend" oder wesentlich für die Bildaussage ist, dann darf er auch ohne Bokeh sein:

Okay, das ist jetzt Geschmackssache. Und natürlich ggf. auch die Frage, was ein Auftraggeber denn haben wollte.

Ich kenne einen Haufen von Bildredakteuren oder ArtDirectoren (ArtDirectors?), die bei dem Foto jetzt sagen würden: "Die klebt ja geradezu vorm Hintergrund."
Weil man den Hintergrund viel zu scharf und detailreich sieht.
Wenn es um das "Ambiente" geht, darf das gerne viel mehr in der Unschärfe liegen. "Ambiente" ist schließlich eine "Anmutung". Eine Andeutung. Ein Flair.

Dann wäre auch das Wasser nicht so fürchterlich unruhig. Um was geht es denn eigentlich? Um die Bojen? Die Boote? Das Hafengewässer?
Oder eine Frau in einem bestimmten Kleid mit einer bestimmten Handtasche?

Aber bitte, solange der Auftraggeber glücklich ist... (Ich wär's als Auftraggeber, glaube ich, eher nicht...)
6 years ago
Am Ende sind diese nebligen Hintergründe einfach den ganzen giftigen Dieselabgasen in unseren Städten geschuldet. Da brauche ich in Zukunft ein ent-freistellendes Objektiv, eine abokehtische Linse, keine ASPH sondern ein ABOK.
6 years ago

Und ganz am Rande: "Bokeh" meint eigentlich noch was ganz anderes, technisch.


Das hat mich ja auch gewundert bei dem Thread. Der TO meint Unschärfe oder Unschärfebereich, wenn er Bokeh schreibt. Nur Bokeh klingt cooler.
6 years ago

Dann wäre auch das Wasser nicht so fürchterlich unruhig. Um was geht es denn eigentlich? Um die Bojen? Die Boote? Das Hafengewässer?


Da ist bestimmt irgendein komplexer kompositorischer Effekt, der die Diagonalen der beiden weißen Bojen und der beiden roten Bojen betont. Oder vielleicht das Dreieck, dass sich durch die drei hellen Punkte im Vordergrund -- Boje, Boje, Handtasche -- ergibt. Wird aber dann komplizierter, wenn man die Zähne des Modells und die ganzen weißen Elemente im Hintergrund miteinbezieht.
Andererseits kann der eigentliche Fokuspunkt des Bildes auch der Schlagschatten am Arm und unter den Augen sein. Letzterer führt den Blick dann noch zu den zusammengekniffenen Augen des Modells.

Da ist halt enorm viel Spannung und Komplexität in dem Foto.
#37
6 years ago
@heinz #37
Bitte stelle doch Hobbyfotografen nicht schon wieder als "Dummchen" da.
Wie du mit Deinem Beispiel brilliant zeigst, haben eben diese "Hobbyknipser" häufig mehr Fotografiekenntnis, insbesondere Gestaltungskompetenz und Blick für Szenen als manche Profis. Dein Art Diector hatte vielleicht auch Vorgaben, welche er aber offensichtlich nicht verstanden hat im Hinblick auf Bildkomposition und technische Ausführung .
Gerade Profis sollten mit angebrachter Kritik (wie die von Jochen, die ich übrigens im Hinblick auf das Bildergebnisse nachvollziehen kann) anders umgehen. Darf ich mal fragen, für welchen Zweck, die Serie gemacht wurde? Werbematerialien?
6 years ago
@j. Reber: danke für die Aufklärung. ich bin als Anfänger noch nicht so gut mit allen Begriffen vertraut. Eine Unterstellung den Begriff aus "Coolness" falsch verwendet zu haben, ist sicherlich nicht richtig. Da offensichtlich alle Threatteilnehmer verstanden hatten um was es mir geht, ist eine Diskussion um begriffliche Haarspaltereien nicht zielführend denke ich.
6 years ago
@ Heinz 37
Diese Aussage ist so falsch. Gut möglich, dass da der externe Auftraggeber fehlt, denn das ist in der Regel der stümperhafte Amateurfotograf selbst.

Doch es gibt durchaus auch solche Stümper welche strenge Vorgaben selber definieren, deren Einhaltung penibel genau überwachen und die sich danach elendiglich nerven, dass sie es in einem Fall nicht peniebel genau gemacht haben nur weil das entsprechende Model unbedingt auf der Wunschliste stand.

Und leider muss ich mich Mainpics anschliessen und Deine herablassenden Äußerungen über Hobbyfotografen aufs schärfste verurteilen. Nur weil Du angeblich privilegiert bist und stets mit grosser Equipage arbeiten darfst rechtfertigt dies Deine von mir meist als überheblich empfundene Art nicht.

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